Samstag, 27. April 2024

Hamas-Spenden aus Syrien?

Ein deutscher Dschihadist in Syrien will den Qassam-Brigaden Geld gespendet haben. Diese sollen sich in einem Video bei ihm nun bedankt haben.

Das Video zeigt drei vermummte Männer in Militäruniformen, bewaffnet mit Kalaschnikows und Panzerabwehrwaffen. Der Mann in der Mitte hält eine Mappe in seinen Händen und spricht in die Kamera. Er bedankt sich in seiner Rede bei einem "Abu Khalid al-Almani" für dessen eingegangene Spende in Höhe von 1.400 US-Dollar. Der Adressat der Rede lud den Videoschnipsel vor einigen Tagen auf seinen Internetkanälen hoch, versehen mit der Aussage: "Al hamduillah unser geld ist zu den Mujahedin in Gazza angekommen möge Allah die geschwister belohnen". 

Sofern das Video authentisch sein sollte, sind es Aussagen, die darauf hindeuten, dass deutsche Kämpfer in Syrien an der Unterstützung der Hamas beteiligt sein könnten. Woher die kolportierten Spenden stammen, ob aus Deutschland geflossen oder in Syrien gesammelt, ist unklar. In der syrischen Provinz Idlib sollen allerdings die dortigen Rebellen die heimische Bevölkerung aktiv zu Spenden für Gaza aufgerufen haben. Dass sich Kommunikationswege und gegebenenfalls sogar Finanzströme zwischen deutschen und palästinensischen Dschihadisten aufgebaut haben könnten, wäre umso bemerkenswerter. Wer ist der Deutsche in Syrien, der sich als Helfer der Hamas ausgibt?

Abu Khalid al-Almani soll in Wirklichkeit Oussama B. heißen. Er ist schon lange kein Unbekannter mehr und gilt als umtriebig und gut vernetzt. 2013 reiste er nach Syrien, um sich am bewaffneten Dschihad gegen Diktator Bashar al-Assad zu beteiligen. Er schloss sich der Dschunud ash-Sham an, einer islamistischen Gruppe von Deutschen, Türken und Kaukasiern, die sich der heterogenen Koalition von Rebellengruppen anschloss und vor allem in den syrischen Provinzen Latakia und Idlib operierte. B. soll auch in Videos des dazugehörenden Medienoutlets "Sham Center" aufgetreten sein. In den letzten Jahren ist die Gruppe unter ihrem Kommandeur Muslim Shishani jedoch stark fragmentiert und nur noch auf dem Papier existent. Viele Mitglieder, darunter B., haben sich in Kleinstgruppen oder im Rahmen von Bündnissen mit anderen Milizen wie der Hayat Tahrir al-Sham (HTS) unter Führung des Warlords Muhammad al-Jolani organisiert.

Seit Jahren führt B. auch eigene Internetkanäle, auf denen er Propaganda in englischer und deutscher Sprache verbreitet und zum Dschihad aufruft. In der Vergangenheit filmte er sich an der Front ("ribat"), schwärmte vom Leben in Syrien und teilte seine Gedanken zu Geschehnissen in Deutschland und zum Rest der Welt mit. B. war bislang ebenso sehr aktiv in der Spendenaquise für sich und auch für andere. Regelmäßig richtet er Spendenaufrufe an deutsche Sympathisanten für die Dschihadisten und ihre Familien in Idlib, deren Lebensbedingungen vor Ort katastrophal sein sollen. Auch persönlich schrieb er seine Kanal-Abonnenten an, um sie mit emotionalen Appellen zur Mildtätigkeit zu bewegen.

Mit dem Ausbruch des aktuellen Nahostkonflikts hat B. sich zunehmend der Weiterverbreitung von Propaganda der Hamas gewidmet. Das ist insofern ungewöhnlich, weil die Gruppe aufgrund ihrer ideologischen Ausrichtung unter deutschen Salafisten nicht allzu viele Sympathien genießt. Als die Terrorgruppe israelische Grenzdörfer attackierte und dabei zahlreiche Zivilisten tötete, schien B. sich über das Massaker zu freuen. Doch seit Israel massiv zurückschlägt und Gaza nur noch ein Trümmerfeld ist, versucht B. offensiv für die Unterstützung der Gruppierung zu werben. "Es gibt einen Weg Geld nach Gazza zu bringen!!!!!!", schrieb er im letzten Jahr auf einem seiner Kanäle. Ob die HTS selbst, wie Medienberichte nahelegen, als Mittler von Spenden zur Hamas auftritt oder sich einzelne Dschihadisten wie B. eigene Wege nach Gaza eröffnen konnten, ist unklar. Genauso bleibt offen, ob zahlreiche Akteure die desolate Lage der Palästinenser und die große Spendenbereitschaft als Trittbrettfahrer ausnutzen, um sich und ihre Organisationen selbst zu bereichern.

Der Fall B. zeigt aber, dass der aktuelle Nahostkonflikt die dschihadistische Szene mobilisiert. Zwar sind Ausreisen in Richtung Gaza aufgrund der fehlenden Routen äußerst unwahrscheinlich. Allerdings könnten sich Spendennetzwerke bilden, die die Hamas und auch andere Gruppierungen bei ihrem Kampf unmittelbar unterstützen. 

Anmerkung: Der Beitrag wurde mehrmals überarbeitet.