Salafisten und ihre Kinder: Eine verlorene Generation?

Kinder stellen die wichtigste Rekrutierungsbasis der salafistischen Bewegung dar. Sie können von Geburt an systematisch auf ein Leben abseits der Mehrheitsgesellschaft getrimmt werden. Während die Öffentlichkeit vor allem die Gefahrenpotenziale von Kindern diskutiert, die in Syrien und im Irak nur wenige Jahre bei Terrororganisationen aufwuchsen, geraten all diejenigen in den Hintergrund, die hierzulande seit langer Zeit in ihren Familien indoktriniert werden. Somit wird übersehen, dass sich eine zweite Generation von Salafisten in Deutschland zu formieren scheint, die ideologisch gefestigter und umso entschlossener das Projekt ihrer Eltern fortführen könnte.
 
Radikalisierung in Syrien? 

Rund 100 Kinder von deutschen Dschihadisten wurden in Syrien oder im Irak geboren. Etwa 300 Minderjährige sollen es insgesamt sein, die sich dort in den letzten Jahren mit ihren Familien aufgehalten haben. Sie alle lebten oder leben in Gebieten, die von Terrorgruppen kontrolliert werden. Über die Rückkehr dieser Kinder und die möglichen Risiken, die damit verbunden sein könnten, wird seit Monaten kontrovers diskutiert. Sind sie durch Indoktrination in Familien, Koranschulen oder Ausbildungslagern radikalisiert worden? Und stellen sie nach ihrer möglichen Rückkehr eine Gefahr für die Gesellschaft dar?

Ohne Zweifel haben diese primär sicherheitsrelevanten Fragen durch die Attentate in Hannover und Essen im Jahr 2016 an Brisanz hinzu gewonnen. Doch handelte es sich bei diesen Fällen um Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahren und nicht um Kleinkinder, die laut Bundesregierung die Mehrheit der in Syrien und im Irak festsitzenden Minderjährigen ausmachen. Deswegen sollte in der Debatte auch differenziert werden, ob über tatsächliche Gefahren oder vor allem über Potenziale diskutiert wird, bei denen das Alter, die Zeiträume und die Erfahrungen wichtige Rollen spielen. Wenn es um letzteres geht, dann scheint die Fokussierung auf die sog. "IS-Kinder" zu eindimensional zu sein. Denn nicht nur beim IS und in anderen Herrschaftsgebieten von Dschihadisten, sondern in der Salafisten-Szene generell stellen Kinder ihre wichtigste Rekrutierungs- und Missionierungsbasis dar.

Viele Anhänger der ersten Generation, die sich ab den 2000er Jahren hierzulande zu organisieren begannen, gründeten in in den Folgejahren eigene Familien. Ihre Kinder, deren Zahl die 1000 wohl deutlich übersteigt, erreichen nun das Schul- oder Jugendalter. Auf sie können und konnten Eltern und Verwandte von Geburt an Einfluss ausüben und sie mit ihren Symbolen, Ritualen und religiösen Praktiken konfrontieren und indoktrinieren. Die zukünftigen Folgen davon sind unabsehbar.

Entkoppelte Welten
 

In Bezug auf die Erziehung gelten bei den Salafisten nicht nur herkunftsbezogene Begründungsmuster ("unsere Kultur","unsere Traditionen"), sondern vor allem religiöse Abstraktionen. Impliziert wird damit auch die Unterwerfung der Kinder unter das elterliche "Supremat". Denn für jegliches Fehlverhalten oder religiösen Pflichtverletzungen ihrer Kinder erheben sie den Anspruch auf das sakrale Mandat Disziplinierungs- oder Sanktionierungsmaßnahmen in der Erziehung zu ergreifen. Denn bei den Salafisten gibt es innerfamiliär keine inhaltlichen Diskussionen über die unterschiedliche Auslegung oder Interpretation ihrer Religion. Die Kinder haben genauso der erzkonservativen Lehre zu folgen, die durch die Prediger und Erwachsenen vermittelt und vorgelebt wird.

Genauso wie die Dschihadisten in Syrien und im Irak können sich die Salafisten hierzulande mit ihren Kindern aber nicht gänzlich von der westlichen Sozialisierung abkoppeln, die sie ablehnen. Die Schaffung eines eigenen sozialen Raums und eines Parallelsystems ist notwendig, um nicht nur die Realität so weit wie möglich aus dem Alltag zu verdrängen, sondern auch um die Angst vor und die Abgrenzung zum bestehenden System und damit die der eigenen sozialen Umgebung aufrechtzuerhalten. Als "Sozialisation" kann dieser Prozess bezeichnet werden: die "Entstehung und Entwicklung der Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit von der gesellschaftlich vermittelten sozialen und materiellen Welt" (Geulen/Hurrelmann 1982).

Und so haben sich seit einigen Jahren in der deutschen Szene genauso wie bei den Terrorgruppen in Syrien die Strukturen weiterentwickelt, die ein solchen System zusammen halten sollen. In allen Lebensbereichen versuchen die Salafisten bestehende Angebote der Mehrheitsgesellschaft mit eigenen Konzepten soweit wie möglich zu ersetzen. Dies gilt vor allem für den Konsumbereich, der dem Isolationismus der tradierten Lebenswelten so weit wie möglich Rechnung tragen will. Von Homöopathie-Produkten, Parfümen und Lebensmitteln mit Halal-Gütesiegeln bis zu Wohnungseinrichtungen mit Schahada-Tapeten, Reisen und eigenen Buchverlagen: Viele Salafisten wollen nicht nur unter ihresgleichen Absatzmärkte erschließen, sondern sie wirken auch an der Konstruktion einer in sich geschlossenen Gesellschaft mit. Und das schließt auch im Besonderen die Kinder mit ein, die in bestimmten Alterskohorten noch entscheidend geprägt werden können.

Massenprodukte werden für sie ganz einfach in religiöse Symbole transformiert. Spielzeug, Bücher, Süßigkeiten und sogar eigene Zeichentrickfilme mit spielerischen Lerneinheiten werden kreiert und in sozialen Netzwerken teilweise zum Verkauf angeboten. Puppen, mit denen viele Kinder ihre Zeit verbringen, werden den Erwartungen eines späteren Lebensstils angepasst: Frauen- und Mädchenpuppen tragen Niqab oder Kopftuch; die Männer Bart, Galabiya und knöchelfreie Hosen. Abgesehen von der Tatsache, dass auch westliche Spielzeug-Produzenten immer wieder Rollen-Klitschees reproduzieren, wenden die Salafisten die Produkte gezielt als Sozialisations-Werkzeuge ihrer Kinder an.
 
Auch Kinderbücher oder Geschichten scheinen in der Szene immer mehr im Trend zu liegen. Sie werden veröffentlicht, um "den kleinen Muslimen Freude [zu] bereiten, aber sie auch lehren soll". So heißt es beispielsweise in einer Selbstbeschreibung eines einschlägig bekannten Blogs. Es werde darauf geachtet, dass den Kindern "auf keinen Fall Unislamisches bzw. Falsches" vermittelt werde. Und so sollen die Kinder von ihren Eltern wie in allen normalen Familien Episoden aus dem Alltag näher gebracht werden. Mit dem Unterschied, dass vor allem das strenge Reglement der Salafisten verinnerlicht werden soll.

"Weil wir Muslime sind und die Kuffar hassen den Islam" 

Ein Beispiel ist die Reihe "Ahmads Geschichten", die das Leben eines kleinen Jungen in einer salafistischen Familie illustrieren soll. In bislang zehn Teilen mit zahlreichen Skizzen versehen, beschreibt die weibliche Autorin den offenkundig realen Alltag des fünfjährigen Ahmads. Mit wem er sprechen darf und mit wem nicht, wie er Frauen und Männer zu betrachten hat und nach welchen Kriterien er Ungläubige von wahren Muslimen voneinander unterscheiden soll. Die Geschichten sind so geschrieben, dass andere Mütter sie ihren Kindern vorlesen sollen. Die Motivation ist dabei klar: die Verinnerlichung von gesellschaftlicher Abgrenzung, tradierten Geschlechterrollen, Ressentiments gegenüber Andersgläubigen und eigener Opferstilisierung, aber auch gezielte Anspielungen an den Dschihad.

So ist in einer Episode folgende Situation beschrieben:

"Mama geht nie ohne Baba raus. Deswegen merkt Ahmad, wie es Mama unangenehm ist vor dem Haus zu stehen. Die ganze Zeit sagt sie: "Inshallah kommt Baba gleich." Dort wo Ahmad und seine Familie wohnen, zieht sich fast niemand so an wie Mama. Es gibt nur zwei Frauen, die Ahmad mal hier in Niqab gesehen hat. Dafür gibt es aber ein paar Frauen mit Kopftuch. Die meisten Frauen hier tragen aber fast keine Kleidung. Einmal hat Ahmad seine Eltern gefragt, wieso die Frauen hier keine Kleidung haben und ob sie arm sind. Mama und Baba haben ihm aber erklärt, dass das Kuffar sind und sie so aussehen wollen.  

In einem weiteren Handlungsstrang wird eine fiktive Ausgrenzungserfahrung geschildert:

"Von links kommt gerade ein Mann. Er hat kurze Haare, gar keinen Bart, ist sehr groß, schaut gemein aus und hat eine Flasche in der Hand. "Der ist sicher kein Muslim, so wie er aussieht!", denkt sich Ahmad. Der Mann geht also langsam an Ahmad und Mama vorbei und schaut Mama von oben bis unten an. Mama schaut auf den Boden und tritt so weit es geht nach hinten und hält Ahmad fest an der Schulter. In einer furchterregenden Stimme zischt er: "Euch will hier keiner." [...]. "Wieso sagt er, dass uns niemand hier will? Er kennt uns doch gar nicht.", wundert sich Ahmad. Mama seufzt. "Mein Schatz, solange wir hier unter den Kuffar leben, werden wir leider oft so etwas hören. Er hat uns so angeschaut, weil wir Muslime sind und die Kuffar hassen den Islam", erklärt sie ihm [...].

"Ich wünschte, es gäbe einen Ort, wo nur Muslime leben", wünscht sich Ahmad. Mama lächelt und legt währenddessen eine Decke über Asma im Kinderwagen. "So einen Ort gibt es.", antwortet sie. Ahmad fragt, wieso sie dann nicht dort seien. "Ich hätte viel lieber nur Muslime im Park und im Supermarkt und als Nachbarn", stellt er fest. "Inshallah wirst du das bald. Dort gibt es dann keine bösen Kuffar. Überall schauen alle aus wie du und ich, fünfmal am Tag hörst du den Adhan, du kannst von jedem das Essen und das Fleisch essen und das Wichtigste ist, dass alle an Allah glauben und dem Islam folgen", erklärt Mama [...]."

Auch die strikte Geschlechtertrennung wird in Ahmads Geschichten klar vermittelt. So schildert die Autorin einen Besuch der Verwandtschaft bei Ahmads Familie. Der Junge dürfe aufgrund seines Alters noch mit Frauen persönlich reden. Erst später müsse er sich sowohl räumlich als auch im Kontakt zu weiblichen Familienmitgliedern von diesen trennen. Eine davon ist seine gleichaltrige Cousine namens Samira. Sie hat damit begonnen das Kopftuch zu tragen, wie es in der Geschichte heißt. "Wieso ziehst du dich jetzt so an?", fragt Ahmad sie. "Weil man sich im Islam bedecken muss. Allah will, dass man sich bedeckt, wenn man ein Mädchen ist. Es ist eine Sünde, wenn man das nicht tut! Ich bin nämlich eine schöne Perle, sagt meine Mama. Und schöne Perlen zeigt man nicht offen, weißt du", erklärt Samira ihrem Cousin laut der Geschichte.

Auf die Frage von Ahmad nach dem Hijab-Zwang, erklärt seine Tante ihm, dass Jungen und Mädchen ganz unterschiedlich seien. Allah habe es so befohlen. "Ein Mann darf und soll rausgehen, die Frau soll so viel Zeit wie möglich zu Hause sein." Seine Mutter ergänzt, dass Ahmad später auch wie ein Muslim aussehen wird. "Wenn du größer bist, wird dir inshallah noch ein Bart wachsen und den darfst du auch niemals wegrasieren. Mädchen sind zwar schöne Perlen, aber ein Muslim wie du ist ein richtiger Löwe!"

Der Dschihad wird ebenfalls, wenn auch verklausuliert in einer der Geschichten erklärt. Muslime hätten demnach denjenigen zu helfen, denen es schlecht gehe. Die Schuldigen: die Kuffar. Entweder spende man den Unterdrückten, oder, wie es Ahmads Onkel und "ein paar Brüder" gemacht hätten, zu ihnen zu reisen. "Ahmad fragt, wieso Onkel Amir denn bei ihnen ist. Er wollte doch zu den grünen Vögeln! - "Das gehört alles dazu, um zu den grünen Vögeln zu kommen, Schatz", erklärt ihm Mama."

Hohe rechtliche Hürden

Es sind solche Narrative, die Kinder in salafistischen Familienumfeldern erlernen und antizipieren sollen. Effektiver lässt sich dies mit Hilfe von Filmen vermitteln. Auch hier docken die Salafisten an die Bedürfnisse ihres Nachwuchs an. Denn es sind Kinder, die die Darstellungen kommentieren und die Geschichten erzählen. Die Hauptfiguren, heißen sie nun Ahmad, Hamza oder Soukaina, sind die Sozialisationsinstanzen, die die Kinder imitieren und mit denen sie sich identifizieren sollen.

Somit wird auch die Tragweite und auch der qualitative Unterschied zwischen jahrelanger, wenn nicht jahrzehntelanger Indoktrination einerseits und dem begrenzten mehrjährigen Aufenthalt eines Kleinkindes in Syrien und im Irak andererseits deutlich. Erstere durchlaufen - völlig unabhängig von der späteren Ausrichtung (militant oder nicht) - einen tiefgreifenden Prozess der durch außen beeinflussten Persönlichkeitsbildung. Von diesem Standpunkt aus könnte die Annahme vertreten werden, dass sie später eine neue Generation innerlich gefestigter Islamisten bilden könnten, die für Deradikalisierungsbemühungen oder Integrationsangebote wesentlich "immuner" wären.

Denn das System, in dem sie involviert sind, lässt sich kaum von außen durchbrechen. Dass die Kinder ab dem 14. Lebensjahr, wenn die Religionsmündigkeit qua Gesetz beginnt, noch in der Lage oder gewillt sein werden, sich selbstbestimmt und autonom mit den Lehren ihrer Eltern auch kritisch auseinanderzusetzen, scheint fraglich zu sein, wenngleich Pauschalisierungen an dieser Stelle nicht sinnvoll sind. Aus der Sicht von Sozialpädagogen können Schutzfaktoren immer noch den Lebensweg erheblich beeinflussen.

Bei den Dschihadisten in Syrien machte das aber in der Regel den Unterschied aus: Je länger die Leute in der Szene vorher aktiv waren oder sie in radikalen Umfeldern integriert waren, desto konsequenter und überzeugter agierten sie in den Kampfgebieten. Kleinkinder in Syrien oder im Irak werden dagegen trotz traumatischer und verrohter Lebensbedingungen noch nicht in dem Maße gefestigt sein, sodass ihre Grund- und Werteeinstellungen durch äußere Interventionen im Falle einer Rückkehr unveränderbar wären. Bei Jugendlichen könnte das jedoch schwieriger werden.

Wenn es also darum geht, Kinder und Jugendliche aus salafistischen bzw. dschihadistischen Umfeldern in Deutschland herauszulösen und zu verhindern, dass sie isoliert und weiter radikalisiert werden, stellen sich unterschiedliche Herausforderungen - und zwar vor allem in Bezug auf ihr familiäres Umfeld.

Das deutsche Grundgesetz sichert den Eltern ein hohes Maß an Autonomie bei der Pflege und Erziehung ihrer Kinder (Art. 6 GG). Sofern sie dem nachkommen greift der Staat nicht so ohne weiteres in ihre Rechte ein. Das geschieht meist erst dann, wenn das Kindeswohl als gefährdet gilt, also die Eltern ihren Kindern seelische oder körperliche Gewalt antun oder eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür besteht. Die Hürden dafür sind aber hoch, sodass die Zugehörigkeit zu einer religiösen Sekte oder politischen Extreme allein nicht für solche gravierenden Eingriffe ausreichen. Denn hier überwiegt wiederum die Religionsfreiheit (Art. 4 GG), sofern auf Gewaltmittel, Zwang, staatsfeindliche Aktivitäten etc. verzichtet wird. Deswegen greift der Staat auch nur selten mit Zwangsmaßnahmen ein.

Auch die Ausreise nach Syrien und die Mitgliedschaft einer terroristischen Organisation von Familien - das hat die Praxis gezeigt - sind für Gerichte und Behörden per se noch keine entscheidenden Gründe dafür, Kinder aus solchen Strukturen herauszuholen. In den meisten Fällen kommt es jedoch zu einer Kooperation zwischen staatlichen Institutionen und Beratungsstellen, um den Kindern den Einstieg in das Leben in der Gesellschaft zu erleichtern bzw. diese im Falle der Inhaftierung von Elternteilen oder Verwaisung anderweitig unterzubringen. Was ist aber mit denjenigen, die hier jahrelang ideologisiert werden und nicht im Fokus der gegenwärtigen Debatten stehen? 

Nora Fritzsche und Anja Puneßen von der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendschutz Nordrhein-Westfalen (AJS NRW) zählen in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) folgende Voraussetzungen auf, die den Staat bzw. Jugendämter zum Einschreiten provozieren könnten: die extreme Isolation und Außenseiterrolle von Kindern, die Unterdrückung persönlicher Bindungen zu Andersgläubigen, Kontrollpraktiken und die Beschwörung von Schuldgefühlen, die Erzeugung einer Angst-Atmosphäre, extreme Verhaltensregeln, die Einschränkung der kindlichen Autonomie, Zwangsehen, Gewalt und die Konfrontation mit Gewaltdarstellungen wie Terrorpropaganda.

Ob solche Missstände vorliegen, ist von eingehenden Prüfungen jedes Einzelfalls abhängig. Es ist aber anzunehmen, dass es in vielen salfistisch orientierten Familien zum Teil genauso abläuft. Ähnlich wie im Kontext der aktuellen justiziellen Auseinandersetzungen (GBA/BGH) über die Strafverfolgung von Frauen, die sich mit Kindern bzw. Ehemännern terroristischen Gruppen anschlossen (§ 129a StGB), zieht aber an dieser Stelle das Erziehungsrecht gegenüber sozionormativen Vorstellungen klare Grenzen. Ob dies aus moralischer Perspektive nun richtig oder falsch ist, hängt vom Auge des jeweiligen institutionellen Betrachters ab. Das Grundgesetz schützt nun mal aber die Freiheitsrechte aller Bürger, zu denen auch die Fundamentalisten gehören.

Im salafistischen Spektrum variieren darüber hinaus die Erziehungskonzepte. Verallgemeinerungen sind also auch hierbei kaum möglich. Die einen schicken ihre Kinder in öffentliche Kindergärten oder an staatliche Schulen, die anderen setzen auf islamistisch orientierte Einrichtungen oder versuchen das von Kindern an Schulen Erlernte ständig zu delegitimieren. Und Eltern sind im Zweifel gut darauf vorbereitet, wie sie sich bei Kontrollen durch Jugendämter zu verhalten haben.

Es bleibt also fraglich, wie die Gesellschaft auf eine neue, heranwachsende Generation von Salafisten reagieren kann. Die Kinder aus Syrien und dem Irak stellen beileibe nicht die einzige Herausforderung dar. Denn trotz der Tatsache, dass die salafistische Bewegung Demokratie und Pluralismus ablehnt, halten ihre Anhänger mit den technischen Fortschritten der Mehrheitsgesellschaft stets Schritt und nutzen sie auch für eigene Innovationen in ihren Lebensentwürfen. Die Kinder können sich dem nur schwer entziehen.