Allgäuer Dschihadist Erhan A.: "Das Leben in Syrien ist top"

Der Allgäuer Erhan A. wird wegen radikaler Äußerungen in einem Interview von Deutschland in die Türkei abgeschoben. Die Entscheidung der bayrischen Landesregierung wurde damals heftig kritisiert. Nun kämpft Erhan A. nach eigener Aussage für eine Rebellengruppe in Syrien. Doch viele Fragen bleiben offen.

Der Agitator für den Dschihad

Erhan A. zählt schon lange in sozialen Netzwerken als schriller Propagandist für den Dschihad in Syrien. Schon früh nach dem Beginn des syrischen Bürgerkriegs und der dadurch einsetzenden Ausreisewelle deutscher Islamisten übernahm der aus Kempten stammende Deutsch-Türke eine Art Führungsrolle.

Über sein Facebook-Profil und einer von ihm gegründeten WhatsApp-Gruppe names "Dawla al-Islamiyya", kommunizierte er seit 2013 mit zahlreichen Radikalisierten wie David G., Philip B. und Usman A., die zum Teil bereits in Syrien waren oder sich noch überlegten dorthin zu reisen.

Erhan A. versuchte sich mehrmals in das Bürgerkriegsland abzusetzen. Doch bayrische Behörden beobachteten ihn da schon längst. Sie überwachten ihn und zapften seine Kommunikationsmittel an. Über ihn erlangten Ermittler einen größeren Einblick in die Gruppendynamik und Rekrutierungsstrategien der deutschen Dschihadisten.

Für Erhan A. hatten seine Aktivitäten ernste Konsequenzen. Der Staatsschutz besuchte ihn. Sein Pass wurde eingezogen und er bekam ein Ausreiseverbot erteilt. Dann kam dieses Interview, dass Erhan 2014 der Sueddeutschen Zeitung gab. Mit seinen radikalen Thesen über al-Qaida, den IS, Enthauptungen und Selbstmordanschlägen brachte er die bayrische Landesregierung gegen sich auf. Im Oktober 2014 schob Bayern den heute 23-Jährigen in die Türkei ab.

"Jemand, der in aller Öffentlichkeit die Gräueltaten der Terrormiliz "Islamischer Staat" gutheißt, das Köpfen von Journalisten rechtfertigt und nicht davor zurückschreckt, seine eigene Familie zu töten, wenn sie sich nicht an die islamischen Gesetze halten, hat bei uns letztlich nichts verloren", sagte damals Bayerns Innenminister Joachim Hermann.

Die Entscheidung wurde damals vor allem durch die bayrische Opposition heftig kritisiert. Von "Terrorexport" sprachen die Grünen. Selbst Bundesinnenminister Thomas de Maiziére schaltete sich damals in die Debatte ein und bezeichnete die bayrische Entscheidung als einen "Sonderfall", der "im Widerspruch" zu den Vereinbarungen zwischen den Innenministern von Bund und Ländern gestanden hätte.

"Ich hab' mit ihr am Telefon heftig gestritten"

In der Türkei hielt sich Erhan zunächst bei seinem Onkel auf. Sein Anwalt in Deutschland versuchte noch gegen seine Abschiebung gerichtlich vorzugehen. Doch das Verwaltungsgericht Augsburg verwarf die Klage. Erhan A., so berichtete er es zumindest gegenüber "Erasmus Monitor", hatte nie vor, in sein Heimatland zurückzukehren.

Es sei seine Mutter gewesen, die noch während seiner Zeit in Abschiebehaft den Anwalt engagiert hätte. "Als ich in der Türkei war, wollte ich sofort weiterreisen nach Syrien." Doch das Vorgehen seiner Mutter habe diesen Plan erstmal zunichte gemacht. "Ich hab' mit ihr am Telefon heftig gestritten." Den Prozess habe er verlieren wollen "und als ich verlor, durfte ich glücklicherweise nicht mehr nach Deutschland zurück und dann habe ich meine Reise nach Syrien fortgesetzt". Das war im April 2015.

Der selbstsichere Allgäuer scheint mit der Entscheidung der bayrischen Landesregierung sogar ganz zufrieden zu sein. "Ich finde es gut, dass ich abgeschoben wurde. Man sollte meiner Meinung nach alle abschieben, die nach Syrien wollen". Dass seine Eltern ihn lieben und sich nach ihm sehnen, scheint für ihn eher unwichtig zu sein.


Erhan A.
Dann im Mai 2015, so erzählt es Erhan A., überquerte er gemeinsam mit dem ebenfalls aus München stammenden Halit K. die türkische Grenze in Richtung Syrien. Ihn habe er über Facebook kennengelernt. Halit K., ebenfalls 23 Jahre alt und Deutsch-Türke, hatte wie Erhan A. schon 2013 versucht in den Dschihad nach Syrien zu reisen. Damals war er noch in der türkischen Stadt Adana von der Polizei aufgehalten worden. Auch er verlor daraufhin seinen Pass, musste sich regelmäßig bei der Polizei in München melden.

Als er Anfang Mai letzten Jahres wieder in die Türkei reiste, starteten seine Eltern eine öffentliche Suchaktion. Sie fürchteten, dass Halit sich dem IS angeschlossen haben könnte. Ihr Sohn meldete sich kurz darauf und erklärte, seine Flucht habe in Wirklichkeit etwas mit einer Frau zu tun gehabt.

Doch das scheint nun nach Aussagen von Erhan A. nicht mehr zu stimmen. Beide halten sich demnach gemeinsam an verschiedenen Orten in Nordsyrien auf, auch wenn Ermittler in Deutschland betonen, dass ihnen dazu keine eigenen Erkenntnisse vorliegen würden.

Das Spiel mit der Öffentlichkeit

Auch die Internet-Aktivitäten von Erhan A. bieten weiterhin einen Grund für Spekulationen. Neben täglichen Aufrufen an die "Geschwister" in Deutschland sich dem Dschihad in "Sham" anzuschließen, scheinen er und Halit K. im Vergleich zu den hungernden Syrern einen verhältnismäßig angenehmen Lebensalltag zu genießen. Erhan A. entgegnet jedoch jeglichem Verdacht, dass er und Halit K. nur als Touristen in Syrien unterwegs seien.

Welcher Gruppe sich die beiden angeschlossen haben könnten, dazu will sich Erhan A. nicht äußern. Doch nach seiner monatelangen und harschen Kritik am IS auf Facebook, ist es ausgeschlossen, dass sich die beiden der irakischen Terrororganisation angeschlossen haben könnten.

Mutmaßlich befinden sich er und Halit K. noch auf ungewisser Mission in den Gebieten der syrischen Rebellen, auch wenn Erhan A. im Gespräch mit "Erasmus Monitor" großspurig ankündigte, den Dschihad zu führen, "bis ich sterbe" und "Märtyrer" werde.

Dort wo er sei, lebten alle Nationalitäten zusammen. "Deutsche, Österreicher, Schweizer, Engländer und andere." Das Leben in Syrien sei "top". "Man muss kaum auf was verzichten." Und wie er seinen Lebensstil finanziert? "Ich werde hier von Allah versorgt", antwortet Erhan A.. "Er lässt mir Geld zukommen von überall." Und was er vom syrischen Bürgerkrieg mitbekommt? Vor kurzem sei ganz in der Nähe von ihrem Haus eine Rakete eingeschlagen. "Hat Splitter überall zerstreut und ein paar Löcher waren in unserer Wand."