Deutsche begehen Kriegsverbrechen in Syrien





















Die Anarchie in Syrien bietet zahlreichen Kombattanten große Spielräume Gewalt- und Machtfantasien auszuleben. Nun zeigt ein Video des IS, dass sich auch Deutsche offen an Mord und Totschlag beteiligen. Die Gewaltorgie sorgt auch in der Salafisten-Szene für große Empörung.

Gewaltexzess in Syrien

Am 5. August schickte Mohamed Mahmoud via Twitter einen Link an den Blog. Es war ein Video mit dem Emblem des Medienbüros Wilayah Homs. Darin zu sehen ist eine Gruppe von deutschen IS-Kämpfern, die sich an Exekutionen von Kriegsgefangenen beteiligen.

Im konkreten Fall treten der gebürtige Österreicher Mohamed Mahmoud alias "Abu Usama al-Gharib" und der Bonner Dschihadist Yamin A.-Z. alias "Abu Umar al-Almani" vor die Kamera und exekutieren zwei syrische Kriegsgefangene vor laufender Kamera. Zuvor hatten die beiden neben weiteren Kämpfern für die Ausreise deutscher Islamisten nach Syrien geworben.

Yamin A.-Z. hatte nach "Welt"-Informationen bei der deutschen Telekom eine Ausbildung in der Abteilung "Recruiting & Talent-Acquisition" angefangen. Bereits während seiner Tätigkeit soll er Sicherheitsbehörden aufgefallen sein. Der 28-Jährige habe seine Sympathien für den IS gegenüber seinen Kollegen nicht verheimlicht, so die Telekom gegenüber der "Welt". Er habe schließlich seinen Ausbildungsvertrag gekündigt und sei einige Monate später nach Syrien ausgereist.

In dem Propagandavideo mit dem Titel "Der Tourismus dieser Ummah" rufen die Männer deutsche Bürger auf sich dem IS anzuschließen. "Eilt, eilt, bevor der Zug abfährt", ruft darin Mohamed Mahmoud. Offenbar operiert die Gruppe mit mehreren deutschen Kämpfern in der Provinz Homs. Die Ermordung der syrischen Männer fand in den Ruinen der antiken Stadt Palmyra statt. 

Aufschrei in der Szene

Die Gewalteskalation sorgt derweil in der Salafisten-Szene für einen Aufschrei. Auch Prediger stritten miteinander. So dokumentierte der Blog nach der Veröffentlichung des Videos eine Auseinandersetzung zwischen Mohamed Mahmoud und dem Bonner Izudin Jakupovic alias "Abu Sufijaan". Jakupovic gehört zu den Aufsteigern der vergangenen Jahre und kann ebenfalls dem militanten Lager der Szene zugeordnet werden.

Im vergangenen Jahr durchsuchten Ermittler die Wohnung von Jakupovic. Die Behörden warfen ihm vor, zusammen mit fünf weiteren Islamisten 2013 ausrangierte Krankenwagen nach Syrien gebracht und der Terrorgruppe Jaish al-Muhajireen wal-Ansar übergeben zu haben. Später schlossen sich die meisten Kämpfer der Gruppe dem  "Islamischen Staat" (IS) an.

Izudin Jakupovic (l.)/ Mohamed Mahmoud
Umso erstaunlicher war es daher, als sich vergangene Woche Jakupovic und der Österreicher Mohamed Mahmoud  ein heftiges Wortgefecht auf "Twitter" lieferten. Jakupovic kannte offenbar Yamin A.-Z. "Habe mich die ganze Zeit gefragt, wo dieser Bruder ist, der neben Abu Usama ist und siehe da: beim IS", schrieb der Prediger Mahmoud.

Das Chatprotokoll liegt "Erasmus Monitor" vor, auch wenn Mahmoud und Jakupovic ihre Nachrichten umgehend wieder löschten. Letzterer war wegen A.-Z.'s Gewalttat offenbar derart in Rage geraten, dass er Mahmoud offen attackierte und sogar in Kauf nahm, dass Beobachter die besprochenen Themen mitlesen konnten.

Direkter Auslöser des Streits waren abfällige Bemerkungen von Mohamed Mahmoud gegen einen arabischen Prediger. Als "Betrüger" bezeichnete er ihn. Jakupovic schaltete sich daraufhin ein. Mahmoud sei für ihn ein "Häretiker" und "arrogant", der sich über die Gelehrten stellen und diese "verhöhnen" würde. "Wir haben diese Welt verlassen, um nicht in das Fegefeuers Allahs zu kommen", entgegnete Mahmoud dem Bonner. Daraufhin wurde es persönlich. 

"Warum hast du Angst?"

Jakupovic hielt dem anderen vor: "Bei Allah, du vergisst das gute, was jemand für dich getan hat mit Abu Ziad und die Schuhe, die ich dir besorgte". Gemeint war die Zeit zwischen Ende 2013 und August 2014, als Mahmoud in der Türkei im Gefängnis saß, bevor er in Rahmen eines Deals zwischen dem IS und der türkischen Regierung freigelassen wurde.

Mahmoud widersprach Jakupovic: "Erstens bei Allah: du hast mir keine Schuhe besorgt. Die Schuhe waren für einen verletzten uygurischen Bruder." Es sei Abu Ziad gewesen, der die "Sachen" besorgt hätte und nicht Jakupovic. "Selbst wenn du diese Sachen besorgt hast, so habe ich dich niemals darum gebeten." Der Bonner habe "Abu Ziad" lediglich an einem Tag ins Gefängnis begleitet, wo Mahmoud und "über 20 Brüder" von draußen versorgt wurden. 

Im Laufe des Gesprächs hatte Jakupovic zunehmend Bedenken, dass die Öffentlichkeit zu viele Details aufschnappen könnte und bremste Mahmoud. "Jetzt wirst du detailliert und das ist nicht gut." Sein Kontrahent hatte damit aber kein Problem.

"Warum hast du Angst vom VS (Verfassungsschutz)??? achja ich vergaß, du lebst ja unter der Erniedrigung der Kreuzzügler [...]. Unter den Kuffar leben, an sie Steuern zahlen, vor ihnen Angst haben und dann über die Mujahidin reden. Wallahi, ich sinke nicht auf dein Niveau und weiß, dass die Kuffar hier mitlesen, sonst würde ich den Leuten erzählen, was du für ein Held bist und was du getan hast, Wallahi, keiner würde mehr von dir nehmen [...]". Jakupovic entgegnete darufhin: "Ich rate dir vor deinem Tod Buße zu tun für die Ermordung unschuldiger Muslime". Am Ende blockten sich beide gegenseitig auf Twitter.

Der Streit zeigt die zunehmende Entfremdung zwischen IS-Anhängern und den führenden Predigern der deutschen Islamistenszene. Galten noch vor einem Dreivierteljahr alle Dschihadisten als Mujahideen, die den Sunniten in Syrien gegen Assad zur Hilfe eilten, spaltet sich nun die militante Salafistenszene in Anhänger von Al-Qaeda (Jabhat al Nusra u.a.) und IS auf.

Insbesondere auf die Veröffentlichung von Mahmouds und A.-Z. Mordvideo in der vergangenen Woche reagierten selbst hartgesottene Islamisten mit Abscheu. Al-Qaeda-Sympathisant Bernhard Falk nannte Mahmoud einen "Psychopathen". Der Allgäuer und ehemalige IS-Unterstützer Erhan A. bereute, den "Typen" früher "gefeiert" zu haben. "Jetzt ist er so am Ende mit seinem Leben".