Die Akte "Ansaar International": Im Zweifel für den Angeklagten

Die salafistische Hilfsorganisation "Ansaar International" steht seit Jahren in der Kritik. Die Verantwortlichen würden mit ihren Hilfslieferungen  in Syrien religiöse Fundamentalisten und sogar Terrorgruppen unterstützen. "Erasmus Monitor" versuchte den Vorwürfen auf den Grund zu gehen und sprach mit beiden Seiten (die protokollierten Gespräche mit Joel Kayser und Tobias Huch finden sie hier).
 
Umstrittene Hilfsorganisationen 

Die Anhänger der Salafisten-Szene bekommen in Deutschland immer mehr Gegenwind zu spüren. Bürger organisieren sich, starten Petitionen, protestieren gegen "Dawa"-Stände und radikale Prediger. In den letzten zwei Jahren gerieten zunehmend auch salafistische Hilfsorganisationen in den Fokus der Kritik. Vereinen wie "Ansaar International", "Helfen in Not" und "Medizin mit Herz" wird vorgeworfen, humanitäre Hilfe als Vehikel zur Verbreitung ihrer erzkonservativen Ideologie zu missbrauchen.

Vor allem in Syrien sind salafistische Vereine aus Deutschland aktiv, verteilen unter anderem Nahrungsmittel, Kleidung und Medikamente. Wer von ihren Hilfsmitteln tatsächlich profitiert bleibt meist undurchsichtig. Im Internet hochgeladene Video-Dokumentationen und Bilder von Verteilaktionen sind nach Meinung der Verantwortlichen Ausweis genug für größtmögliche Transparenz. Kritiker dagegen bezweifeln, dass die Organisationen das deutsche Vereinsrecht in Syrien und anderen Ländern korrekt einhalten würden. Von Sektiererei, gezielter Missionierung und sogar die Unterstützung von Terrorgruppen wie al-Qaeda und des Islamischen Staats (IS) wird häufig gesprochen.

"Keine Appeasement-Politik"
 

In den letzten Monaten geriet vor allem der in Düsseldorf ansässige Verein "Ansaar International" wieder in den Fokus der Salafismus-Gegner. An vorderster Front dabei: der FDP-Politiker Tobias Huch. Der 34-jährige Internetexperte machte in der Vergangenheit vor allem mit spektakulären Gerichtsprozessen und Medienkampagnen von sich reden. Auf Facebook und Twitter gehört er heute zu den lautesten Stimmen, die gegen die salafistische Szene mobilisieren.

FDP-Politiker Tobias Huch
Für ihn ist Politik auch Provokation. "Bei Salafisten wirkt eben keine Appeasement-Politik, wie sie manche Toleranzpolitiker fordern und betreiben", so Huch gegenüber "Erasmus Monitor". Seine Aufrufe und Botschaften sind deshalb häufig laut und konfrontativ, zuweilen aber auch undifferenziert und tendenziös. Damit begeistert er hunderttausende Internet-User, polarisiert aber zugleich gewaltig. So auch im Fall "Ansaar International".

Die schickten Huch nämlich Ende Juli dieses Jahres eine Abmahnung, die "Erasmus Monitor" vorliegt. Der Anlass: Der FDP-Politiker hatte in einem Facebook-Post behauptet, wer "Ansaar International" unterstütze, schicke Geld an "Salafisten/ISIS-Anhänger".

Auf Nachfrage erklärt Huch, "hochrangige irakische Quellen" hätten ihm berichtet, dass die Organisation engste Kontakte zum IS und al-Qaeda unterhalten würde. Ein schwerwiegender Vorwurf. Der Anwalt von "Ansaar International" weist die Behauptung in dem Schreiben an Huch entschieden zurück: "Der Verein ist im Gegenteil deutschlandweit als IS-Gegner bekannt, ebenso dass der Verein von der Seite [IS-Anhänger, Anm. d. A.] Morddrohungen erhält."

Ansaar-Leiter Joel Kayser
"Ansaar"-Chef Joel Kayser reagierte parallel mit einem nicht minder provokanten Youtube-Video [mittlerweile gelöscht, Anm. d. A.] auf Huchs Kritik. Seinen Kontrahenten nannte er darin unter anderem einen "Porno-Produzenten", "verurteilten Steuerhinterzieher" und "Mir-wurd'-das- Pausenbrot-geklaut-Gesicht". Huch mahnte "Ansaar International" daraufhin ab, fordert nun wegen Verleumdung und Beleidigung Schadensersatz im sechsstelligen Bereich.

"Mit dieser Aktion hat Joel Kayser echt den Vogel abgeschossen. Die Sache hätte er sich sparen können", kritisiert ein Beobachter der Szene. Doch auch Tobias Huch wird für seine "Holzhammer-Methoden" von Experten kritisiert. "In Hessen gibt es einige Fighter, die mehr zerschlagen, als dass sie was erreichen", so ein Gesprächspartner gegenüber dem Blog.

Der Konflikt zwischen "Ansaar International" und Tobias Huch ist vor allem Symptom wachsender Spannungen zwischen der Zivilgesellschaft und der salafistischen Szene. Der Terror radikaler Islamisten in Syrien und Irak, die sich überwiegend aus der Bewegung der Salafisten rekrutieren, strahlt auch nach Deutschland aus. Die verbalen und gewalttätigen Konflikte zwischen Salafisten und Gegnern nehmen inzwischen gefährliche Ausmaße an.

Undurchsichtige Aktivitäten in Syrien

Seit längerer Zeit beobachtet das Blog die Aktivitäten von "Ansaar International". Der Verein ist die mit Abstand größte Spendenorganisation, die der salafitischen Bewegung in Deutschland zuzuordnen ist. Mit jährlichen Spendeneinnahmen in Millionenhöhe kann der Verein nicht nur im nahen Osten, sondern auch in Afrika und Asien Projekte finanzieren.

"Wir haben über eine Million Spender und Spenderinnen, zehn Prozent davon sind Nichtmuslime", erzählt "Ansaar"-Chef Joel Kayser im Gespräch mit "Erasmus Monitor". Jeden eingenommen Cent müsse man ordnungsgemäß beim Finanzamt angeben. Es gäbe gar keinen Spielraum Geld abzuzweigen, sonst drohten ernste Konsequenzen. Ein vertrauenswürdiger Aussteiger der Szene berichtet "Erasmus Monitor", der Verein habe auf ihn insgesamt einen "guten Eindruck" gemacht. "Es gibt nicht viele muslimische Organisationen, die so gut strukturiert und organisiert sind. Außerdem beschränkt sich ihre Hilfe nicht allein auf Muslime, sondern auf jegliche Religionen, wofür sie auch stark von einigen Muslimen angegriffen werden."

Vor allem in Syrien ist der Verein seit Jahren aktiv. Dort, wo derzeit hunderte deutsche Dschihadisten für unterschiedliche Terrorgruppen ihren Glaubenskrieg führen und manche nicht vor Mord und Folter zurückschrecken. Einige von ihnen reisten auch mit vermeintlichen Hilfskonvois aus Deutschland in das Bürgerkriegsland ein, um nicht nur Lebensmittelpakete zu verteilen, sondern sich gleich selbst in den Dienst der Kampfgruppen zu stellen.

Doch gehört auch "Ansaar International" in die Kategorie der konspirativ agierenden Dschihad-Unterstützer? Gibt es tatsächlich Beweise für Verbindungen zu terroristischen Gruppen, gar zum IS? Es gibt und gab sie, wenn auch überwiegend unfreiwillig.

"Bruder Timur"

Nach Informationen von "Erasmus Monitor" begleitete im Jahr 2013 ein mittlerweile bekannter Terror-Unterstützer "Ansaar International" auf einer Reise nach Syrien. Sein Name: Mirza T. B., bekannt auch als "Onkel Timur".

Bereits seit November 2014 sitzt der Deutsch-Pakistaner in der JVA Düsseldorf in U-Haft. Der Vorwurf gegen ihn: Unterstützung von Terrorgruppen wie Ahrar al-Sham, Junud ash-Sham und des IS. Zusammen mit dem in Köln inhaftierten Kais B.O. und dessen Geschwistern Lazhar, Omar, Leila und Sofien, fungierte Baig als ideologischer Anführer einer Diebesbande, die seit 2013 Einbrüche in Kirchen und Schulen durchführte und ihre Beute anschließend zu Geld machte. 

Mit dem Erlös kaufte die Gruppe unter anderem Krankenwagen und brachte sie nach Syrien, um sie Kontaktleuten der genannten Terrorgruppen zu übergeben. "Wir müssen gucken, wie die Gelder runterkommen. Wie die dreckigen Kuffar unten abgeschlachtet werden. Das ist unsere Pflicht, dass ihnen die Kehle da unten durchgeschnitten wird", zitiert die "SZ" aus einem durch Ermittler abgehörten Telefonat von Kais B.O.

Mirza T. B. in Syrien
Im Laufe der Zeit gründete die Gemeinschaft zusammen mit dem Kölner Sabri B. A. zur Tarnung den Verein "OPH - Organization für Peace and Help". Vermeintliche Übergaben von Geld und Nahrungsmittel an Zivilisten, die von Ben Abda in zahlreichen Videos festgehalten wurden, waren nach Ansicht von Ermittlern nur vorgetäuscht. Kaum sei die Kamera ausgeschaltet gewesen, hätten B. und A. das Geld wieder eingesammelt und ihren Kontaktmännern übergeben.

Mirza T. B. soll darüber hinaus bei der Rekrutierung von deutschen IS-Kämpfern wie Marko K., Djamil K. und Tarek S. eine wichtige Rolle gespielt haben. In der Wohnung des ehemaligen Blumenhändlers in Bergisch-Gladbach sollen regelmäßig junge Männer gewohnt haben, die sich durch B. für den Dschihad instruieren ließen. Selbst dem eigenen Sohn, Jakub B., soll der Vater nach Syrien verholfen haben, um ihn zum IS zu lotsen. Jakub starb im vergangenen Jahr.

Reise nach Syrien

Die Verbindung des 60-Jährigen zu "Ansaar International" wirft daher Fragen auf. Welche Aufgabe hatte B. bei der Reise des Vereins im Jahr 2013? Nach Recherchen von "Erasmus Monitor" waren neben Baig auch "Ansaar"-Chef Joel Kayser (alias Abdurrahman) und der deutsch-marrokanische Szene-Prediger Abdelilah Belatouani (alias Abu Rumaisa) Mitglieder dieser Reisegruppe. Letztgenannter unterhält neben "Ansaar" auch enge Kontakte zu "Helfen in Not". In einer Videodokumentation über die dreitägige Fahrt ist Mirza T. B. immer wieder zu sehen, unter anderem auch bei einer Mittagspredigt von Belatouani an der türkischen Küste.

Mit vier ausgemusterten Krankenwagen war die 8-köpfige Gruppe auf dem Landweg und mit der Fähre über Griechenland und die Türkei nach Syrien gefahren. Sowohl griechische als auch türkische Grenzbehörden durchsuchten stundenlang ihre Fahrzeuge, machten aber offenbar keine Beanstandungen. Auffällig ist, dass B. nicht zusammen mit der Reisegruppe in Syrien angekommen zu sein scheint. In den später veröffentlichten Videos der Organisation scheint der Mann komplett abgetaucht zu sein. War er vielleicht doch auf einer konspirativ angelegten Mission unterwegs?

"Ansaar"-Chef Joel Kayser entgegnet diesem Verdacht. Die Reisegruppe habe sich noch in der Türkei von Baig aufgrund von "nicht eingehaltenen Regeln" trennen müssen. "Wir haben ihn in die nächste größere Stadt gefahren und ihm Geld für den Rückflug gegeben." Den genauen Grund dafür möchte Kayser in der Öffentlichkeit nicht nennen. Quellen von "Erasmus Monitor" zufolge soll B. auf der Fahrt immer wieder mit Kontaktpersonen in Deutschland telefoniert und diese aufgefordert haben sich dem Dschihad in Syrien anzuschließen.

Reise nach Syrien: Mirza T. B. (z. v. l.)


"Zur damaligen Zeit gab es in Syrien weder die IS-Thematik, noch starke Sicherheitsvorkehrungen bei uns, wer mit uns mitreisen darf", gibt Kayser im Gespräch zu bedenken. "Strikt nach dem Maßstab, "desto mehr Hilfe, desto besser" gaben wir jedem, der einen Krankenwagen mitbrachte und die Mitgliedschaft beantragte die Chance mitzukommen." In Deutschland habe B. später aufgrund seines Rauswurfs gegen den Verein verbal nachgetreten. "Er verleumdete uns überall als Murtadeen (Abtrünnige, Anm. d. Red.), Heuchler, Schweine und anderen Schimpfwörtern." Ermittlungsbehörden bestätigen auf Nachfrage indirekt Kaysers Ausführungen . "Wir würden seine Aussagen zumindest nicht dementieren", so ein Vertreter des Verfassungsschutzes.

Auch Beobachtungen von "Erasmus Monitor" scheinen die Version von "Ansaar International" zu stützen. Nicht nur Mirza T. B., sondern auch sein Bekannter von OPH, Sabri B. A., scheint sich auf den Verein eingeschossen zu haben. Der Deutsch-Tunesier, dessen derzeitiger Aufenthaltsort unbekannt ist und der mit dem IS offen sympathisiert, veröffentlichte in sozialen Netzwerken unter dem Label "SBAmedia" mehrere Schriften gegen "Ansaar". Andere deutsche IS-Propagandisten warfen dem Verein unter anderem vor, "FSA-Mushrikin", "PKK-Kuffar" und "yezidischen Schaytan-Anbetern" zu helfen. 

Hilfe für bosnische IS-Anhänger? 

Doch die Auseinandersetzungen mit B.und IS-Anhängern räumen nicht räumen die Zweifel an "Ansaar International" nicht sofort aus. Das MDR-Magazin "Fakt" berichtete Ende Juli 2015 über Aktivitäten des Hilfswerks in dem bosnischen Dorf Gornja Maoca. Für die dortigen "gläubigen und frömmigen Leute" rief "Ansaar" zu Spenden auf, um eine baufällige Straße in dem Dorf zu betonieren. Bilder aus dem Ort, die in dem "Fakt"-Beitrag ausgestrahlt wurden, zeigen Häuser, auf denen das IS-Symbol auf Flaggen und Wänden prangt. "Die Vision des Kalifats, der Balkan als Einfallstor nach Europa?", fragt das Magazin in Richtung "Ansaar International".

Auch diesbezüglich widerspricht "Ansaar"-Chef Joel Kayser. Der MDR habe den Verein zu dieser Sache gar nicht befragt. "Dort leben viele praktizierende Muslime. Vielleicht gibt es IS-Anhänger in Gornja Maoca. Die gibt es aber genauso auch in Düsseldorf oder Köln." Er selbst habe nur Fotos des Dorfes angeschaut, die ihm ein "bosnischer Bruder" geschickt hätte. IS-Flaggen seien darauf nicht zu sehen gewesen. "Wir sind Gegner des IS. Generell sind das aber auch keine IS-Flaggen, sondern das Symbol repräsentiert traditionell das Siegel des Propheten."

"Ansaar" selbst habe in seinem Büro in Düsseldorf eine solche Flagge hängen gehabt, jedoch habe man sich aus Rücksicht auf die derzeitige Problematik dazu entschieden, diese zu entfernen. "Doch wir stellen klar, dass bisher kein einziger Cent nach Bosnien geflossen ist." Kayser verweist diesbezüglich auf die Angaben beim Finanzamt. Vertreter der Behörde wollten aufgrund von Datenschutzgründen "Erasmus Monitor" keine Auskunft dazu erteilen.

Im Umfeld von al-Qaeda

Scheint also vieles darauf hinzudeuten, dass "Ansaar International" trotz der Kontakte zu Personen aus dem dschihadistischen Milieu kein Unterstützer des IS ist, bleibt die Frage offen, welche Haltung der Verein zu anderen terroristischen Gruppen einnimmt. Vor allem in den nordsyrischen Provinzen Idlib und Aleppo liefern die Verantwortlichen ihre Hilfsmittel in Depots und Krankenhäusern ab. In dieser Region dominieren jedoch vor allem al-Qaeda nahe Dschihadistengruppen wie Jabhat al-Nusra und Ahrar al-Sham, die wie der IS von den deutschen Strafverfolgungsbehörden als terroristische Vereinigungen eingestuft werden. Wer ihnen Geld oder andere Dinge liefert, macht sich strafbar.

Kritiker von "Ansaar International" monieren, dass deren Mitarbeiter sich niemals im Umfeld der Terroristen frei bewegen könnten, ohne nicht selbst mit diesen zu sympathisieren oder zu interagieren. Auch das Bundesamt für Verfassungsschutz meint gegenüber "Erasmus Monitor", dass es sehr wahrscheinlich sei, dass "Ansaar" nicht nur humanitäre Hilfe leiste, sondern auch die Kämpfer zumindest mittelbar in ihre Lieferungen miteinbezöge. Doch nachweisen konnten die Ermittler solche Vermutungen bisher noch nicht.

Ein Fahnder erklärte dem SPIEGEL im Mai das Problem: "Solche Ermittlungen gehören zu den schwersten. An irgendeiner Stelle bricht die Beweiskette fast immer ab." Auch gegenüber dem Blog sagen die Behörden, man habe keine Erkenntnisse dazu, dass "Ansaar International" Terrorgruppen tatsächlich beliefern würde.

Man sei eine humanitäre Hilfsorganisation und lehne jede Art von Gewalt gegen Unschuldige ab, beteuert Joel Kayser auf Nachfrage zu den möglichen Verbindungen zu al-Qaeda und fügt hinzu: "übrigens auch die von Westmächten, die andere als Terroristen einstufen, aber selbst völkerrechtswidrige Angriffskriege veranstalten, bei denen bereits Millionen von Zivilisten zum Opfer gefallen sind." Der Hilfsorganisation seien begangene Kriegsverbrechen durch Jabhat al Nusra und Ahrar al Sham nicht bekannt. "Solange wir keine eigenen negativen Beobachtungen gemacht haben, wie im Fall IS, gibt es uns auch nichts zu berichten."

Ansaar-Krankenwagen im Kampfgebiet in Idlib




Als im März dann ein Video auftauchte, dass einen Krankenwagen von "Ansaar International" inmitten eines bewaffneten Konvois der Rebellenallianz Jaish al-Fatah bei Idlib zeigte, sahen sich Kritiker wie Tobias Huch in ihren bisherigen Vermutungen bestätigt.

Darauf angesprochen wiegelt Joel Kayser abermals ab. Er habe sich das Video angeschaut und sähe darin kein Problem. "Der Krankenwagen war auch nicht inmitten eines bewaffneten Konvois, sondern ich habe da auch noch andere zivile Fahrzeuge gesehen, die in der Nähe standen." Bei den Gefechten in Idlib habe es viele zivile Opfer gegeben. Mitarbeiter des von "Ansaar International" betriebenen Krankenhauses im Norden Idlibs hätten ihm berichtet, die Krankenwagen seien bei den schweren Kämpfen um die Provinzhauptstadt automatisch ausgeschwärmt.

Auch der Verfassungsschutz sieht in dem Video noch keinen Beleg für ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten. Man könne wie Kayser argumentieren, dass der Krankenwagen nur in der Nähe der Rebellen gestanden habe, aber kein Teil der bewaffneten Kolonne gewesen sei. Ohne den Beweis, dass der Verein die Absicht und somit das Wissen und Wollen hatte, die Dschihadisten zu unterstützen, sei der Vorwurf kaum beweishaltig zu untermauern.

Chance für mehr Transparenz

Aufrufe zum Verbot von Vereinen wie "Ansaar International" gibt es immer wieder, sind aber im Prinzip chancenlos. Auch die Behörden sehen derzeit keine Handhabe gegen die Organisation vorzugehen. "Das Grundgesetz (GG) garantiert im Artikel 9 Absatz 1 für alle Deutschen die Vereinigungsfreiheit, als Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden. Das Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (VereinsG) konkretisiert die verfassungsmäßigen Grenzen der Vereinigungsfreiheit", heißt es in einer Antwort der NRW-Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der CDU-Abgeordenten Serap Güler (CDU).

Nur der Bundesinnenminister sei dazu befugt Verbote zu verhängen. Das ist bei den meisten salafistischen Hilfsorganisation wie "Helfen in Not" oder "Medizin mit Herz" bisher nicht passiert. Zuletzt lies Innenminister Thomas de Maiziére im Februar 2015 lediglich den von Hasan K. angeführten Hardliner-Verein "Tauhid Germany" als Nachfolgeorganisation von "Millatu Ibrahim" verbieten.

Auf die Frage, ob "Ansaar International" in Zukunft zu mehr Transparenz bereit sei, um der Kritik am Verein zu begegnen, antwortet Joel Kayser zwiespältig. Er könne zwar Bedenken von Beobachtern und Bürgern verstehen. Das läge jedoch vor allem daran, dass "man von den Medien manipuliert" sei. Kritiker sollten nicht ohne Fakten gegen den Verein "hetzen". "Jeder kann bei uns vorbeikommen oder anrufen und sich über unsere Tätigkeiten informieren."

Die "Lügenpresse", wie Kayser die großen Medienhäuser nennt, verdrehe immer wieder seine Worte. Er hat deswegen auch kein Problem damit sich mit Verschwörungstheoretikern wie KenFM oder der rechtsextremen Pegida-Bewegung zu solidarisieren. Zwar teile er die Ansichten der Bewegung nicht. "Aber in Sachen Lügenpresse haben sie nunmal recht."

Auch auf die Kritik, dass "Ansaar International" auf Benefizveranstaltungen mit extremistischen Predigern für Spenden werbe und damit zur Radikalisierung junger Leute beitrage, will der Verein reagieren. Man werde in Zukunft keine derartigen Veranstaltungen mehr organisieren noch militante  Prediger einladen, so Joel Kayser.

Ob sich "Ansaar International" und ihr schärfster Kritiker Tobias Huch noch gütlich einigen werden, scheint derzeit unwahrscheinlich zu sein. Kayser bot zwar im Gespräch mit dem Blog an, sich mit Huch zusammenzusetzen und "die Sachen auszuräumen". "Der Ausgang dieser Auseinandersetzung bleibt aber offen." Die Antwort des FDP-Politikers: "Das ist für mich kein Thema."