Manbij galt jahrelang als Einfallstor internationaler Dschihadisten nach Syrien. Briten, Tschetschenen und auch zahlreiche Deutsche lebten in der grenznahen Stadt. Kurden eroberten die Stadt nun vom IS zurück. Das Ende einer Schreckensherrschaft.
Manbij als Einfallstor
Als im Januar 2014 Kämpfer des "Islamischen Staates" (IS) die nordsyrische Stadt Manbij stürmten, ahnten die Bewohner noch nicht, wie sehr sich ihr Leben verändern würde. In den darauffolgenden Monaten entwickelte sich die Stadt nämlich zum Wohnsitz zahlreicher Dschihadisten aus dem Ausland. Es war für Einheimische kaum mehr möglich eine Straße entlang zu gehen, ohne dabei an irgendeiner Straßenecke eine fremde Sprache zu hören. Manbij wurde nach seiner Eroberung zu einem Rekrutierungszentrum des IS. Zahlreiche Dschihadisten, die über die türkisch-syrischen Grenzübergänge wie Bab al-Hawa, Jarabulus, Ayn al-Arab oder Tal Abyad nach Syrien einreisten, bezogen ihr erstes Quartier in der Stadt.
Neuankömmlinge, die die Überprüfungen des IS-Geheimdienst in Ortschaften wie Jarabulus oder al-Rai überstanden hatten oder von einem Bürgen gedeckt wurden, erhielten in Manbij ihre militärische Ausrüstung, Sold und oft sogar eine eigene Unterkunft zugewiesen. Die Dschihadisten bekamen sauberes Wasser und Strom rund um die Uhr. Die Bewohner von Manbij wurden davon systematisch ausgeschlossen. Denn sie wurden vom IS misstrauisch beäugt. Die Stadt leistete vor ihrer Eroberung durch IS-Truppenverbände unter dem Kommando von IS-Emir Tarchan Batiraschwili alias Abu Omar al-Shishani erbitterten Widerstand. Die Folge: Zahlreiche Einwohner wurden als "Verräter" oder "Spione" festgenommen, gefoltert und getötet.
In der Folge baute der IS eine brutale Terrorherrschaft in der Stadt auf. Syrer hatten fortan die Befehle der ausländischen Invasoren zu befolgen. Wer nicht spurte, wurde schnell entgegen den Beteuerungen des IS, dass die Scharia den Einwohnern Ordnung und Sicherheit bringen würde, von Sonderkommandos verschleppt. Hinrichtungen auf öffentlichen Plätzen gehörten zum Alltag in Manbij. Dagegen stellte die Terrororganisation das städtische Leben in ihrer Propaganda als idyllisch und harmonisch dar. Fast jede Woche veröffentlichte das "Medienbüro Halab" (Aleppo) im Internet Videos und Bilder vom inszenierten Alltag in der Stadt.
Folterer und Mörder
In der Folge baute der IS eine brutale Terrorherrschaft in der Stadt auf. Syrer hatten fortan die Befehle der ausländischen Invasoren zu befolgen. Wer nicht spurte, wurde schnell entgegen den Beteuerungen des IS, dass die Scharia den Einwohnern Ordnung und Sicherheit bringen würde, von Sonderkommandos verschleppt. Hinrichtungen auf öffentlichen Plätzen gehörten zum Alltag in Manbij. Dagegen stellte die Terrororganisation das städtische Leben in ihrer Propaganda als idyllisch und harmonisch dar. Fast jede Woche veröffentlichte das "Medienbüro Halab" (Aleppo) im Internet Videos und Bilder vom inszenierten Alltag in der Stadt.
Folterer und Mörder
Manbij war auch eine Hochburg deutscher Dschihadisten. Sowohl bei ihrer Eroberung als auch während der Besatzungszeit, kämpften, lebten und arbeiteten dort deutsche Staatsbürger. Die Mitglieder der Lohberger Brigade aus Dinslaken, die für ihre extreme Brutalität große Bekanntheit erlangte, gehörte zu den ersten, die sich in den Häusern der Bewohner breit machten. In Manbij wollten einige von ihnen mehr erreichen als nur den Status eines einfachen Kämpfers.
Die Sonderkommandos des IS lockten mit deutlich höherem Sold und größeren Handlungsspielräumen. Gezielt wurden dafür Leute ausgewählt, die ihre Machtphantasien im Namen der religiös-ideologischen IS-Doktrin in Gefängnissen und Gerichten freien Lauf ließen. Unter den Dinslakener fanden sich genug Leute, die bereit waren sich in den Dienst der gefürchteten Religionspolizei al-Hisbah zu stellen. Darunter waren auch Marcel L., Mustafa K. und Nils D.
Die Sonderkommandos des IS lockten mit deutlich höherem Sold und größeren Handlungsspielräumen. Gezielt wurden dafür Leute ausgewählt, die ihre Machtphantasien im Namen der religiös-ideologischen IS-Doktrin in Gefängnissen und Gerichten freien Lauf ließen. Unter den Dinslakener fanden sich genug Leute, die bereit waren sich in den Dienst der gefürchteten Religionspolizei al-Hisbah zu stellen. Darunter waren auch Marcel L., Mustafa K. und Nils D.
Der Dinslakener Marcel L. bei einer Hinrichtung in Manbij |
Zeugenaussagen, nicht zuletzt die des Syrien-Rückkehrers Nils D. belegen, dass die Mitglieder der Lohberger Brigade in Manbij in mehreren Sturmtrupps dienten. Die vermummten meist aus Ausländern bestehende "Ordnungsmacht" war für Verhaftungen, Folterungen und Hinrichtungen vermeintlicher Gotteslästerer, Spione und Krimineller verantwortlich. Nils D., Marcel L. und Mustafa K. sollen zudem in IS-Gefängnissen in Manbij eingesetzt worden sein. Alle drei sollen an Misshandlungen von Insassen beteiligt gewesen sein, was nur einem von ihnen derzeit nachzuweisen versucht wird.
Richter und Henker
Richter und Henker
Doch nicht nur die Lohberger Brigade, sondern weitere Islamisten aus Deutschland stützten das Terrorregime in Manbij. Darunter ist auch der zuletzt in Solingen wohnhafte Palästinenser Youssef A. G. sowie dessen Sohn Ahmad. Youssef, ehemaliger "Generalsekretär" der 2012 verbotenen Salafisten-Truppe "Millatu Ibrahim", soll laut Zeugenaussagen als Richter am Scharia-Gericht gearbeitet haben. Ein Bild zeigt zudem den 62-Jährigen bei einer Hinrichtung in Manbij.
Sein Sohn Ahmad fungierte in einem IS-Propaganda-Video, dass im letzten Jahr kurz nach dem islamischen Opferfest Eid al-Adha veröffentlicht wurde. In dem 10-minütigen Film glorifiziert der IS das Leben eines "Mujahids" und zeigt die Festlichkeiten in Manbij. Ahmad A. G.wird mit seinem kleinen Sohn dabei gefilmt, wie er Einkäufe in Supermäkten tätigt, Schlachtvieh auswählt, in die Moschee geht und Spenden verteilt.
Youssef und Ahmad A. G. in Manbij |
Nach der Auswertung von Veröffentlichungen des Medienbüros Aleppos, gehörte Ahmad A. G. selbst zu der Medien-Abteilung in der Provinz. Auf Bildern ist er bis zum Fall von Manbij immer wieder zu erkennen, darunter bei Frontbesuchen westlich von al-Bab.
Auch eine Gruppe von Frankfurtern, die sich monatelang in Manbij aufhielt, diente offenbar in den Sondereinheiten des IS. Über Riza Y., Selcuk G. und Ahmet T. berichtete "Erasmus Monitor" bereits 2015. Riza arbeitete offenkundig als Funktionsträger der al-Hisbah. In sozialen Netzwerken veröffentlichte er unter anderem ein Video, dass ihn bei der Konfiszierung von Schmuggelwaren zeigt. Auch ließ sich Riza auf der Hauptstraße von Manbij fotografieren, hinter ihm ein großer Käfig, in dem Gefangene öffentlich zur Schau gestellt wurden.
Riza erlangte größere Bekanntheit, als er das aus München stammende Mädchen Elif Ö. heiratete, damals 16 Jahre alt, die sich Anfang 2015 nach Syrien abgesetzt hatte. Gemeinsam mit Riza Y., Selcuk G.und Ahmet T. wohnte Ö. in der Grenzstadt Jarabulus, die kürzlich durch die türkische Armee eingenommen wurde.
Riza Y. |
Die Bewohner von Manbij ließen sich das Treiben der ausländischen Jihadisten nicht lange einfach so gefallen. Schon Mitte 2014 folgten viele Geschäftsleute einem Streik-Aufruf Oppositioneller und schlossen aus Protest gegen die vielen willkürlichen Verhaftungen ihre Läden. Die IS-Kämpfer reagierten mit brutaler Gewalt. Der Aufstand wurde schnell niedergeschlagen. Ende 2015 demonstrierten erneut zahlreiche Menschen gegen den Terror der Organisation. Sprechchöre wie "Raus, raus, raus - IS raus!" offenbarten die große Unzufriedenheit der syrischen Einheimischen mit den Jihadisten.
Mit dem Vormarsch der von den USA unterstützten Kurdenmiliz YPG und arabischen Clans (subsumiert unter "Syrian Democratic Forces"), zogen sich viele Jihadisten bereits vor Monaten aus Manbij in Richtung Rakka zurück. Doch der IS leistete fast drei Monate lang erbitterten Widerstand. Hunderte Menschen kamen bei den Kämpfen in der Stadt ums Leben. Schließlich eroberte die YPG Manbij vor einer Woche. Das Ende einer - auch deutschen - Schreckensherrschaft.