"Believers Place": Messer und Einsatzschuhe


Der Kölner Sabri B. A. hat eine neue Internetseite ins Leben gerufen. Nach dem Tod wichtiger IS-Propagandisten will er nun offenbar die klaffende Lücke schließen, die von ihnen hinterlassen wurde. Das Ergebnis: der pure Zynismus.

"Widerstandsvoll glanzvolle Arbeit" 

Die vergangenen Jahre dürften für Sabri B. A. keine angenehme Zeit gewesen sein. Ausgrenzung, Mobbing und sogar Prügel musste er über sich ergehen lassen. Und das, weil er sich als IS-Sympathisant geoutet hatte. Erst aus der Deckung heraus, dann für jeden offenkundig. Unter unzähligen Pseudonymen wie "SBA Media", "Dawa Pics" und "Good Propaganda" verherrlichte er die Taten der Miliz, die neben zahlreichen Christen und Jesiden auch unzählige Muslime auf dem Gewissen hat.

Offenbar hat B. A. nun die Lust am Versteckspiel verloren. Mit der Internetseite "Believers Place - Radikalisiere dich zum Guten", eingetragen unter seinem richtigen Namen, outet der Kölner sich erstmals ganz offen als kreativster und produktivster IS-Propagandist in der deutschen Salafisten-Szene. Nach dem Tod vieler Dschihadisten, die die bislang bekanntesten deutschsprachigen Propaganda-Plattformen betrieben, will B. A. offenbar den Fluss von Kalifatsglorifizierungen und Durchhalteparolen wohl nicht versiegen lassen. Und die IS-Anhänger danken es ihm. "Wir bitten Allah darum, dass er euch bei diesem Projekt beisteht, Amin", heißt es in einer Mitteilung deutscher IS-Anhänger auf Telegram. Neben anderen Kanälen leiste "Believers Place" "widerstandsvoll gegen die Tawaghit und Munafiqin glanzvolle Arbeit".

Die nun ins Leben gerufene Internetseite folgt der Tradition der bisherigen Arbeit des Kölners. Er nutzt dabei einen rechtlichen Graubereich, in dem Propaganda als scheinbar neutrale Berichterstattung und Weiterverbreitung von Informationen schwerer rechtlich angreifbar ist. Einzig der Übermut von B. A. könnte ihm zum Verhängnis werden. Schon häufiger geriet er deswegen mit dem Gesetz in Konflikt.

"Believers Place" strotzt nur so vom Zynismus und den bekannten übel-sarkastischen Anspielungen. Sabri B. A. reproduziert die Nachrichten der IS-Agentur "Amaq", deutet in Fake-News-Manier Medienberichte nach seiner Meinung um und auch seine bekannten Memes und Videos, mit denen er seine Gegner bislang attackierte, nehmen viel Platz auf der Seite ein. Als besonders makaber fallen durch zwei verfasste Artikel auf, die unter "Empfehlung" aufgeführt werden: ein Messer ("bestens als Rettungsmesser verwendbar") und Einsatzschuhe ("Funktionsschuhe für Dienst und Alltag"). Was der Mann mit den ständigen Provokationen erreichen möchte, erschließt sich dem Beobachter nicht.

Zerwürfnis unter Freunden

Sabri B. A. kam bei der Mehrheit der Szene-Salafisten nie gut an. Erst recht nicht, seitdem er mit seinen radikalen Sympathien für den IS hausieren geht. Zur Eskalation kam es aber erst, als der Kölner - offenbar berauscht vom Siegeszug des IS - sich dazu berufen sah, all diejenigen im Internet zu diffamieren, die sich gegen die irakische Organisation gestellt hatten.

Allen voran der Prediger Pierre Vogel. Auf ihn hatte es Sabri B. A. vor allem abgesehen. Und auf Bilal G., mit dem er noch 2014 in Frankfurt die Straßen unsicher machte, Korane an Passanten verteilte und Medien süffisant aufs Korn nahm.

Damit war es vorbei, als Vogel und Bilal G. mit der Zeit merkten, wie der IS dem salafistischen Projekt in Syrien und damit der Einheit der "Ummah" schweren Schaden zufügte. Für B. A. wiederum ein großer Verrat: am Koran, am Dschihad und an all den Leuten, die der Überzeugung waren, der IS verkörpere die Wiedergeburt eines globalen Kalifats. Und dazu gehörte ein nicht kleiner Teil der eigenen Anhänger wie B. A. selbst, die sich bis zu seiner klaren Oppositionshaltung gegenüber dem IS um Vogel geschart hatten.

Während Vogel versuchte gegenüber dem eigenem Gefolge und der Öffentlichkeit jegliche Verbindungen zum IS-Lager auszuschließen, zogen die Verdrossenen weiter zu den Predigern, die sie mit offenen Armen empfingen. Der Hildesheimer Ahmad A. alias Abu Walaa mit seinen Helfern in Dortmund und Duisburg scharte sie um sich. In diesem (virtuellen) Umfeld tauchte auch Sabri B. A. auf und unterstützte den Iraker über die Propaganda im Internet, genauso wie die Dschihadisten in Syrien. B. A. war es auch, der mehrmals vor bevorstehenden Polizei-Razzien im Umfeld der deutschen IS-Leute warnte. Von seinen eigenen Seiten aus startete er gleichzeitig die Angriffe auf das gegnerische Lager.

Zunächst warf er Pierre Vogel und dem Prediger Marcel Krass die Veruntreuung von Spendengeldern vor. So hätten die beiden hunderttausende Euro in die eigene Tasche gewirtschaftet, nachdem Vorzeigeprojekte wie der Aufbau einer Islamschule in Mönchengladbach und der Bau einer neuen Moschee in Wuppertal - die "Darul Arqam" - scheiterten. B. A. insinuierte, Vogel und Krass hätten das Geld in teure Autos und Reisen investiert. Wie könne es sein, so der Kölner damals, dass Vogel von Hartz 4 lebe und gleichzeitig eine Limousine fahre. Heftige Diskussionen zwischen Marcel Krass und Sabri B. A. folgten, der damals noch anonym, wenngleich für Bekannte von ihm leicht zu identifizieren, seine Vorwürfe auf vielen Internetseiten wiederholte.

Auf den Erstschlag folgte die Anzeige

Mit der Zeit nahm B. A. immer mehr Prediger und bekanntere Figuren der Szene in den Fokus. Den Berliner Adhim Kamouss bezeichnete er als "Munafiq" ("Heuchler"), den Lies!-Initiator und seinen ehemaligen Mentor Ibrahim Abou Nagie als "Abu Model", "Lügner" und "Rosenkavalier". Erol S., der Gründer der Koranverteilungsaktion "Siegel der Propheten" bescheinigte er eine "kranke Seele", nannte ihn einen "ekelhaft-widerlichen Scharlatan" und "vorbestraften Betrüger", dessen Da'wa ein "billiger Abklatsch" des Lies!-Projekts sei.

Was kindisch und albern auf so manchen Beobachter wirkte, war in Wirklichkeit ein ziemlich gefährlicher Zwist innerhalb der Szene. Der Dschihad in Syrien hatte tiefe Gräben aufgerissen und sowohl im Führungslager als auch unter dem "Fußvolk" ein großes Chaos angerichtet. Das zeigte auch der symbolische Pakt zwischen Sabri B. A. und dem IS-Ideologen Abu Walaa, der in Hildesheim und anderen deutschen Städten junge Männer ideologisch auf den Dschihad trimmte.

Gemeinsam hetzten B. A. und Abu Walaa gegen Pierre Vogel, der bis heute die größte Anziehungskraft auf die meist jungen Salafismus-Anhänger ausübt. "Murtad", "Verräter", und "Kreuzritter" waren nur einige Bezeichnungen, die die beiden für Vogel anwendeten. Der ließ sich die Attacken immer seltener gefallen und machte seinerseits Stimmung gegen den "al-Baghdadi-Fanclub". Seine rechte Hand Bilal G. führte darüber hinaus nicht nur die verbale Keule. Auf Facebook tauschten er und sein ehemaliger Freund Sabri gegenseitig wüste Drohungen aus. G.'s Handlanger kreuzten denn auch wohl vor der Wohnung des Kölners auf, demolierten dessen Auto und ließen ihn wissen, dass sie auch nicht vor körperlicher Gewalt zurückschrecken würden.

Schließlich folgte im letzten Jahr der Showdown. In Pulheim bei Köln soll Sabri B. A.  in seinem Auto gesessen haben. Was er dort machte ist unbekannt. In einer veröffentlichten Audiobotschaft erzählte er, er sei bei einem Arzt gewesen. An einer Ampel jedenfalls riss jemand seine Autotür auf und prügelte auf ihn ein. Laut B. A. soll es der ehemalige Boxer Vogel gewesen sein, der auf ihn eingeschlagen hätte. "Er hat mehrmals auf mich eingeschlagen", so Sabri B. A. Vogel wiederum habe herumgeschrien: "Sie wollen mich umbringen, der ist von ISIS!".

Es folgten eine Anzeige gegen den Prediger wegen Körperverletzung und eine neue Welle persönlicher Angriffe im Internet durch B. A.. Gut möglich, dass das erst der Anfang war. Denn auf seiner neuen Internetseite hat er bereits neue Schmäh-Pamphlete gegen seine Kontrahenten angekündigt.