Dschihadisten aus Bayern: "Wir wollen Assad stürzen"

Erhan A. und Halit K. sind gemeinsam nach Syrien gereist, um sich dem bewaffneten Dschihad anzuschließen. Beide berichten nun gegenüber "Erasmus Monitor" wie es ihnen gelingen konnte ihren Eltern und den Sicherheitsbehörden zu entwischen.

"Dieses Drecksland"

Erhan A. und Halit K. haben sich erstmals gegenüber "Erasmus Monitor" zu ihrer gemeinsamen Reise in den Dschihad geäußert. Mehrere Audiobotschaften beweisen zudem, dass sich die beiden derzeit gemeinsam an einem Ort in Syrien aufhalten. Warum sie sich gemeldet haben? Sie wollten etwas klarstellen.

Die Stimmen von Erhan A. und Halit K. sind unverkennbar auf den Audioaufnahmen zu hören. Der rollende bayrische Dialekt und der stechende Sarkasmus, der vor allem Erhan A. in Deutschland zum Verhängnis wurde, sind unverkennbar. Im Hintergrund der beiden dröhnt der Straßenverkehr. Dann ist da ein piepsendes Funkgerät und ein Nasheed zu hören. Wo genau die Aufnahmen entstanden sind bleibt unklar.

"Du hey, ich zeig dir jetzt einfach, der Halit K. ist jetzt neben mir", sagt Erhan A. in einer Audiobotschaft. Die beiden wollten Berichten der "Kuffar-Medien" widersprechen, dass Halit K. vor ihrer gemeinsamen Ausreise nach Syrien nochmal in München gewesen sei. "Ich wollte gar nicht mehr zurückgehen", merkt Halit K. im Hintergrund an. "Dieses Drecksland", ruft Erhan A. lachend.

 "Und wir sind immer noch zusammen"

Vielmehr sei ihre Reise in den Jihad folgendermaßen abgelaufen: Halit K. reiste im Mai 2015 mit einem gefälschten bulgarischen Pass in die Türkei. Von Anfang an, so betonen es die beiden, habe Halit K. nach Syrien reisen wollen. Seinen Eltern allerdings habe er erzählt, dass eine Frau für ihn der Grund dafür gewesen wäre. "Das haben wir nur erzählt, damit sich seine Eltern keine Sorgen machen. Das war alles nur eine Lüge, dass sie uns in Ruhe lassen. Er ist nicht wegen der Liebe hergekommen", berichtet Erhan  A.amüsiert.

Er und Halit K. hätten sich über Facebook kennengelernt, als letzterer in der Türkei angekommen sei. Halit K. schrieb Erhan A. an. "Ey, du, Bruder, ich bin hier, lass uns treffen", soll der Münchner dem Kemptener in ungefähr geschrieben haben. Sie verabredeten sich dann gemeinsam nach Syrien zu reisen.

Laut Erhan A. halfen ihnen Schleuser und "Mitfahrgelegenheiten" diesen Plan in die Tat umzusetzen. Sie stiegen in einen Bus und überquerten die Grenze mutmaßlich über einen der offiziellen Grenzübergänge wie Bab al-Salameh oder Bab al-Hawa. "Ich sage sogar das Datum: Am 23. Mai ist er [Halit K., Anm. d. A.] mit mir gegen 23:20 Uhr ungefähr über die Grenze nach Syrien." Halit K. fügt hinzu: "Und wir sind immer noch zusammen."


In Syrien angekommen, schickten sie SMS-Nachrichten an ihre Familien, um sie vor vollendete Tatsachen zu stellen. Doch auch da log zumindest Erhan A. weiterhin seine Mutter Fatma A. an. Was er in Syrien mache, habe sie ihn am Tag der Einreise nach Syrien gefragt. "Hoffentlich nicht am Krieg beteiligen!" Erhan A. bat sie, dass sie sich keine Sorgen machen solle. Er verteile dort nur Hilfsgüter. "Ich wollte halt nicht zuviel auf einmal sagen", gibt Erhan A. im Gespräch zu bedenken. 

"Die Abschiebung hat es leicht und angenehm gemacht"

Doch irgendwann sagte Erhan seinen Eltern die Wahrheit, dass er im Dschihad sei. "Ich konnte sie nicht ewig anlügen." Sich für eine Hilfsorganisation zu engagieren, statt für den militanten Dschihad, sei für ihn nicht in Frage gekommen. "Muss schon der Krieg sein", so A. Ihr Ziel sei es Syriens Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Dass die beiden dabei ihr Leben verlieren könnten, das ist beiden klar. "Wir wollen aber nicht sterben und wir treffen alle Sicherheitsmaßnahmen, um eben nicht zu sterben", versichert Erhan A.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit sind die beiden bei Rebellenkonglomeraten wie Jaish al-Fatah in Idlib oder Fatah Halab in Aleppo untergekommen. Es sei keine einzelne Gruppe, bei denen sie sich aufhielten, sagen sie. Der sogenannten "Freien Syrien Armee" würden sie sich "im Leben" nicht anschließen. "Es ist keine Gruppe unter einer Flagge, unter einem Führer. Es gibt "Kuffar" unter ihnen und Muslime."

Mit nur einer Uzi und einer Kalaschnikow, die die beiden auf einem Bild stolz präsentierten, können  die beiden wohl kaum in Kämpfe eingesetzt werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sie derzeit wie soviele Ausländer, die keine Kampferfahrung haben, bei weniger riskanten Operationen  zum Einsatz kommen. Das könnten Wachdienste sein, die Regelung des Straßenverkehrs oder die Verteilung von Nahrungsmitteln.

Die letzten Sätze von Erhan A. stimmen jedoch nachdenklich. Und sie werfen heikle Fragen für die deutsche Politik auf, wie in Zukunft mit islamistischen Provokateuren und Ausreisewilligen umgegangen werden sollte.

Das Blog fragt Erhan A., ob er jemals in den Jihad gezogen wäre, wenn die bayrische Landesregierung ihn nicht abgeschoben hätte. "Ja", antwortet A., "aber wohl später und es wäre auch teurer und aufwendiger gewesen". Er hätte sich wie Halit K. einen gefälschten Pass zugelegt und wäre über andere Wege in die Türkei gelangt. "Die Abschiebung hat es leicht und angenehm gemacht."