IS-Kämpfer Nadir H.: Die Stimme der Wahrheit

Am vergangenen Mittwoch teilte der österreichische IS-Kämpfer Mohamed Mahmoud via Twitter den Tod eines Kameraden mit. "Abu Bilal al-Maghrebi" sei Anfang der Woche bei Kämpfen in Nordsyrien nahe der kurdischen Stadt Kobane durch einen Luftschlag der USA getötet worden. Der Marrokaner spielte offenbar eine wichtige Rolle in der Szene.

Ein Veteran aus Frankfurt a. M.

Unter dem Pseudonym "Die Stimme der Wahrheit" und "Islamische Audios" machte sich Nadir H. alias "Abu Bilal al-Maghrebi" in der islamistischen Szene einen Namen. Auf Facebook, Twitter und Youtube mit hunderten Followern und Abonnenten veröffentlichte er islamistische Propaganda. Er schrieb Gedichte, veröffentlichte zahlreiche Videos und kommentierte in Form von Textbeiträgen die Ereignisse in Deutschland und in Syrien. Er war Anhänger und Mitglied der ersten Stunde von Gruppen wie DawaFFM, Ansarul Aseer und Ibrahim Abou Nagies "Lies""-Projekt.

Der kann neben dem aktuellsten Fall mittlerweile auf einen beachtlichen Leichenhaufen deutscher Dschihadisten im Umfeld von "Lies!" blicken. Das BKA geht davon aus, dass über ein Viertel aller 600 deutschen Djihad-Kämpfer sich im Kreise der "Lies!"-Aktivisten radikalisierten.

Wie Videos belegen, stand Nadir H. bereits seit Mitte 2011 mit Koranen auf der Frankfurter Zeil in der Innenstadt und sprach Passanten an. Mit dem Habitus eines Gelehrten warnte der Mann damals die "Feinde des Islams". "Und für jene, die nicht an ihren Herrn glauben, ist die Strafe der Dschahannam (Hölle), und eine üble Bestimmung ist das! [...]", so eine Aussage von H.

Offiziell startete Abou Nagies "Lies!"-Projekt erst 2011. Nadir H. gehörte damit wohl zur Basisbewegung der Aktion, die Korane in den Innenstädten verteilte. Das Umfeld, in dem er sich bewegte war vor allem durch Prediger beeinflusst, die im Kontext eines Konfessionskriegs in Syrien einer offenkundigen Militarisierung und Ausreise ihrer Anhänger in den Dschihad nicht im Weg stehen wollten. Zahlreiche Videos von Nadir H. zeigen das "Who is Who" der Führungsleute aus der Salafistenszene, die während seiner Zeit in Deutschland offenbar als wichtige Stichwortgeber fungierten:  Die Berliner Ahmad Abul Baara und Adhim Kamouss, Ibrahim Abou Nagie, Abu Dujana, Abu Abdullah, Pierre Vogel, Abdullatif Roualli und Sven Lau.

"Islamische Audios"

Laut Mohamed Mahmoud war H. für die Veröffentlichung von Videos des 2013 durch den damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich verbotenen Vereins "Islamische Audios" verantwortlich, der vor allem im Internet Propaganda verbreitete.

"Der Salafismus, so wie er von den heute verbotenen Vereinen vertreten wird, ist unvereinbar mit unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung. DawaFFM, Islamische Audios und An-Nussrah streben in aggressiv-kämpferischer Weise eine Veränderung unserer Gesellschaft an, bei der die Demokratie durch ein salafistisches System und der Rechtsstaat durch die Scharia ersetzt werden sollen", sagte der Innenminister damals in einer Presseerklärung.

Ein Stimmenabgleich von Videos von "Islamische Audios" und der "Stimme der Wahrheit" mit Aufnahmen von Nadir H. bei Koranverteilungen in Frankfurt und Höchst bestätigen Mahmouds Angaben. Auf der Plattform veröffentlichte der Frankfurter längere Texte und Gedichte, die er selbst vortrug und mit Anashid sowie melancholischen Bildsequenzen gestaltete. Wiederkehrende Narrative sind die angebliche Einsamkeit und Fremdheit in der "Dunya" und die Liebe.

Aggressiv in sozialen Netzwerken

Auf Twitter fiel Nadir H. vor allem als unterwürfiger Unterstützer Mohamed Mahmouds und mit üblen Hasstiraden auf. Geriet der ehemalige Frontmann des Solinger Vereins "Millatu Ibrahim" im Internet mit jemanden aneinander, sah sich die "Stimme der Wahrheit" schnell gezwungen, in Konversationen einzugreifen.

Wann Nadir H. nach Syrien ausreiste, ist noch unklar. Laut Mohamed Mahmoud sei der Freund wegen einer Knie-Operation verhindert gewesen,  sodass er später als erhofft in das Kalifat habe ausreisen können. Möglicherweise war H. Monate zuvor mit einer deutschen Hilfsorganisation in der syrischen Provinz Lattakia unterwegs. Das legen Äußerungen von ihm in einem Video auf seinem Youtube-Kanal nahe.

Am 14. März hatte die "Stimme der Wahrheit" ein letztes Video veröffentlicht. "Mit Sehnsucht sehe ich in die Ferne und mit Abscheu blicke ich nun zurück.", kündigte der Frankfurter indirekt seine Reise ins Kalifat an. Nur wenige Tag vor seinem Tod schrieb H. in einem Gedicht: "Und vielleicht schon morgen werde ich meinem Herren begegnen....". In Kobane sollte sich diese Selbstprophezeiung offenbar bewahrheiten.