"Ansaar"-Chef Joel Kayser: "Wir sind IS-Gegner"

Joel Kayser ist Chef der Hilfsorganisation "Ansaar International". Mit "Erasmus Monitor" sprach Kayser über seinen Konflikt mit dem FDP-Politiker Tobias Huch, Verbindungen zu Dschihadisten und sein kritisches Verhältnis zu den Medien.

Herr Kayser, worum geht es im Konflikt mit Tobias Huch? 

Tobias Huch hat mindestens 30 mal verleumderische Beiträge auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht, die uns in die Nähe von IS gerückt haben. Ein Beitrag war unserer Ansicht im besonderen strafrechtlich relevant. Tobias Huch behauptete in einem seiner Facebook-Posts, „wer folgende umstrittene Vereine unterstützt, schickt Geld an Salafisten/ISIS-Anhänger: Ansaar International e.V.“

Daraufhin haben wir Anzeige gegen Huch erstattet und parallel über unseren Anwalt eine Unterlassungserklärung geschickt. Dieser ließ jedoch die gesetzte Frist verstreichen. Aufgrund dessen, dass wir immer wieder deutlich gemacht haben mit IS nichts zu tun zu haben und diese Gruppe auch ablehnen – wir erhalten auch regelmäßig in sozialen Netzwerken Morddrohungen von IS-Anhängern -, haben wir uns dazu gezwungen gesehen, rechtliche Mittel gegen Herrn Huch einzuleiten.

Wir haben in Folge dessen auch ein Video als Reaktion veröffentlicht, wo wir Herrn Huch einen Tiefschlag versetzt haben, nachdem dieser uns mindestens 30 Tiefschläge verpasst hatte, in dem er uns mit Terrorgruppen wie IS in Verbindung brachte.

10 Prozent unserer Spender sind Nichtmuslime und wir haben über eine Million Spender und Spenderinnen. Daher sind Herr Huchs Behauptungen klare Verleumdungen, die nicht belegt sind. Wir haben selber im Nachhinein herausgefunden, dass er wohl kein Porno-Produzent, sondern nur, wie wir ihn auch nannten, Porno-Seitenbetreiber ist, was sich auch nicht besonders viel nimmt. Er verleumdet uns und sagt bewusst die Unwahrheit. Er hetzt gegen praktizierende Muslime und bedient damit vor allem das Klientel von PKK und Jeziden.

Wir sehen seine Aktivitäten als ideologisch motiviert an und sehen zudem die Gefahr, dass dadurch die Konflikte zwischen praktizierenden Muslimen und Nichtmuslimen – vor allem aber auch mit jezidischen Kurden und kurdischen Nationalisten – zunehmen könnten, wie man es zum Beispiel beim bewaffneten Angriff auf einen Lies!-Stand in Hannover beobachten konnte.

Wir scheuen uns nicht davor mit Herrn Huch eine gerichtliche Auseinandersetzung zu führen. Genauso sind wir aber auch bereit, uns mit Herrn Huch zusammenzusetzen und die Sache aus der Welt zu schaffen.

Sie kritisieren die Medien immer wieder, warum?

Wir wehren uns gegen Behauptungen, wir wollten die Gesellschaft spalten oder würden gegen Andersgläubige bzw. Volksgruppen agitieren. Wir selbst führen zahlreiche Projekte zur Völkerverständigung durch, kooperieren mit Friedensaktivisten, vor allem aber arbeiten wir mit solchen Leuten zusammen, die wir der Wahrheitsbewegung hinzuzählen z.b. wie Jörg Cölsmann.

Die Lügenpresse wie der Bayrische Rundfunk, ARD oder andere Medien hetzen gegen uns. Wir hatten dem BR ein Interview gegeben, hinterher haben die behauptet, niemand sei bereit gewesen mit ihnen zu sprechen. Daher teilen wir auch die Meinungen von Leuten wie KenFM oder Pegida, die von der "Lügenpresse" sprechen. Deren Worte wurden nämlich auch von denen verdreht.

Sie teilen die Meinung von Pegida, obwohl diese Leute doch eigentlich zu ihnen völlig konträre Ziele verfolgen? Ich hatte eher den Eindruck, dass hier ein Großteil der Medien ihre demokratische Rolle wahrgenommen und vor diesen Leuten gewarnt hat, die gegen Flüchtlinge hetzen und die Islamisierung des Abendlandes propagagieren?

Natürlich teilen wir nicht die Meinung von Pegida. Aber in Sachen "Lügenpresse" haben sie nun mal recht.

Wenn sie sich vom IS klar distanzieren, wie ist es dann zu erklären, dass der seit Ende 2014 in Untersuchungshaft einsitzende Mirza T. B. im Jahr 2013 mit ihnen nach Syrien mitgereist ist?

Genau er ist ein Grund, warum wir unsere Kriterien, wen wir mitnehmen, stark ausgeweitet haben. Damals zur Zeit der Reise nach Syrien, gab es weder die IS-Thematik, noch starke Sicherheitsvorkehrungen bei uns, wer mit uns mitreisen durfte. Strikt nach dem Maßstab, "desto mehr Hilfe, desto besser", gaben wir jedem, der einen Krankenwagen mitbrachte und die Mitgliedschaft beantragte, die Chance mitzukommen. Aufgrund der schlechten Erfahrung auf dieser Reise allerdings, haben wir uns von Baig bereits in der Türkei getrennt, was die Reise und auch die Mitgliedschaft im Verein angeht, zogen wir unsere Schlüsse. 

Warum ist B. nur auf der Hinreise nach Syrien zu sehen und nicht in den weiteren Dokumentationen ihrer Reise auf Youtube?

Eben genau aufgrund der besprochenen Problematik. Wir haben feste Regeln während den Reisen, an die wurde sich nicht gehalten, darum haben wir ihn aus dem Reiseteam und vom Verein noch während dem Aufenthalt in der Türkei und weit vor Syrien entbunden. Wir haben ihn in die nächste größere Stadt gefahren und Geld für den Rückflug gegeben. Von einer Sympathie bei ihm für den IS  war damals noch nichts zu merken. Überhaupt gab es das Thema IS damals nicht. 

Zu der Zeit gab es aber die ersten Gerüchte, dass nicht unweit von unserem heutigen Lebensmittelager eine Gruppe Aserbaidschaner ein längst befreites Dorf besetzt hatte. Die Syrer sagten, sie waren neu und wie aus dem Nichts erschienen, ausgebildet wie Special Forces. Sie regelten die Checkpoints auf ungewohnte Art und Weise ab und ließen die Syrer nicht passieren. Mit sehr islamischen Aussehen sollten sie nie dagewesene Gräueltaten verüben. Wir hielten es damals für ein unbestätigtes Gerücht, die Syrer vermuteten Russland dahinter. Monate später wurde dann klar, dass es die ersten Boten des IS waren. 

Haben jemals Behörden, die gegen B. ermitteln, "Ansaar" nach der Verbindung zu dem Mann gefragt?

Nein, diese sind ja bestens Informiert wer wo wann hinreist. Ich denke, sie haben mitbekommen, dass B. wieder zurückkam, während wir Syrien betraten. Die Insassen von Krankenwagen sowie Hilfsgüter werden ja an allen Grenzen sehr genau durchsucht sowie Personalien festgestellt. Dazu zeigte B. ja wenig später auch ein komplett konträres Islamverständnis zu uns zu besitzen und verleumdete uns überall als Murtadeen, Heuchler, Schweine und anderen Schimpfwörtern. Das ging quer durch Deutschland, sodass wir uns eine Zeit lang oft verteidigen mussten zugunsten der Bedürftigen und unsere Erfahrungen mit ihm preisgeben mussten.

Am Ende waren wir sehr froh, vor Schlimmeren eventuell bewahrt worden zu sein. Unabhängig von diesem Fall, haben wir einige Erfahrungen gemacht, die uns vorkamen, als ob sie gezielt konstruiert wurden, um unserem Verein zu schaden, ohne genau zu wissen aus welcher Richtung es kam. Da kann man nur spekulieren. Dies alles hat uns so vorsichtig gemacht, wie wir heute sind. Uns begleiten nur langjährige Mitglieder auf den Reisen, die wir selber gut kennen. Gegen keinen Einzigen, der mit uns jemals eines der 22 Länder betrat, welches wir besuchten, gibt es ein Ermittlungsverfahren.

Heißt das, dass sie auch mit den Sicherheitsbehörden in Kontakt stehen?

Ja, wir hatten schon viele Gespräche mit Ermittlern des Staatsschutz. Auch Verbindungsbeamte haben mit uns gesprochen, darunter ein Experte für religiösen Extremismus. Mit dem Religionsexperten sprachen wir über zwei Stunden lang. Er selbst hat uns gesagt, dass wir anfangs falsch eingeschätzt wurden, ähnlich wie die Mili Görös-Bewegung vor zehn Jahren. 

Selbst auf die öffentliche Kritik, dass wir für unsere Benefizveranstaltungen Prediger einladen, die der militanten Szene angehören, haben wir reagiert. Wir haben uns entschieden, in Zukunft weder Prediger mehr einzuladen, noch Benefizveranstaltungen zu organisieren. 

Das MDR-Magazin „Fakt“ wirft ihnen vor für das bosnische Dorf Gornja Maoca Geld gesammelt zu haben. In dem Dorf sollen besonders viele IS-Anhänger leben. An einigen Hauswänden wurde mit Graffiti die Flagge des IS gemalt, genauso weht auf einigen Dächern die IS-Flagge. Warum ist "Ansaar International" ausgerechnet dort aktiv, wenn sie sich doch vom IS klar distanzieren?

Der MDR hat uns über diese Sache überhaupt nicht gefragt. Dort leben viele praktizierende Muslime. Vielleicht gibt es IS-Anhänger in Gornja Maoca. Die gibt es aber genauso auch in Düsseldorf oder Köln. Ein Dorfbewohner von dort erzählte uns, dass in Gornja Maoca Straßen dringend repariert werden müssten und er bat uns um Hilfe. Wir von "Ansaar" riefen dann zu Spenden auf.

Ich habe mir nur Fotos von Gornja Maoca angeschaut und auch solche, die mir ein bosnischer Bruder geschickt hat. Ich habe die Holzhäuser zwar gesehen, aber die im Beitrag gezeigten IS-Flaggen waren mir nicht bekannt. Wir sind Gegner des IS. Generell sind das auch keine IS-Flaggen, sondern das Symbol repräsentiert traditionell das Siegel des Propheten. Wir selbst hatten eine solche Flagge in unserem Büro von Ansaar International hängen, haben uns dann aber aus Rücksicht auf die derzeitige Problematik dazu entschieden, diese abzuhängen. Doch wir stellen klar, dass bisher kein einziger Cent nach Bosnien geflossen ist. Das alles ist auch über die Angaben beim Finanzamt nachzuvollziehen. Wir arbeiten transparent in dieser Hinsicht.

Ihnen ist bekannt, dass in dem Gebiet, wo "Ansaar International" operiert, auch dschihadistische Gruppen agieren, denen vorgeworfen wird, sie verfolgten eine ähnliche Ideologie wie der IS, in dem sie einen Sharia-Staat errichten möchten. Auch gibt es zahlreiche Berichte über Verbrechen, die diese Gruppen begangen haben wie zum Beispiel die Ermordung von mehreren Druzen bei Idlib oder die Entführung von christlichen Priestern. Wie schaffen sie es bei der Verteilung von Hilfsgütern klare Grenzen in diesem Gebiet zwischen den bewaffneten Gruppen und Zivilisten zu ziehen?

Es stimmt, dass wir ausschließlich in den von der Assad-Armee und IS befreiten Gebieten aktiv sind. Das sind vor allem Aleppo und Idlib. Uns sind diese Verbrechen, von denen sie uns berichten, nicht bekannt. Generell können wir uns in Idlib und Aleppo aber völlig frei bewegen und werden von keinen Bewaffneten irgendwie dazu gezwungen zum Beispiel Lebensmittelpakete oder ähnliches an diese zu übergeben. Unsere Hilfe dient ausschließlich Zivilisten unabhängig ihrer religiösen Orientierung.

Doch wie lässt es sich dann erklären, dass in einem Rebellen-Video vom März 2015  ein Krankenwagen von "Ansaar International" inmitten eines bewaffneten Konvois von Jaish al-Fatah zu sehen ist?

Ich habe das Video auch gesehen und sehe darin kein Problem. Der Krankenwagen war auch nicht inmitten eines bewaffneten Konvois, sondern ich habe da auch noch andere zivile Fahrzeuge gesehen, die in der Nähe standen. Ich habe mich über das Video aber gefreut. Denn sie müssen wissen, dass Idlib ungefähr so groß ist wie Düsseldorf. Ich habe dann mit Mitarbeitern unseres dortigen Krankenhauses in der Provinz Idlib gesprochen. Sie erzählten, die Krankenwagen seien wegen der Kämpfe nach Idlib ausgeschwärmt. Viele Zivilisten sind ja bei diesen Kämpfen verletzt worden.

Können sie jedoch verstehen, wenn Beobachter und deutsche Bürger, die solche Videos sehen, Bedenken bezüglich ihres Vereins anmelden? 

Natürlich kann ich das verstehen, wenn man von den Medien manipuliert ist. Aber dann hetzt man nicht ohne Fakten gegen uns. Jeder kann bei uns vorbeikommen oder anrufen und sich über unsere Tätigkeiten informieren.

Wenn ihnen Transparenz so wichtig ist. Warum würden sie denn nicht einmal Medienvertretern, die objektiv und unvoreingenommen berichten, die Gelegenheit bieten, sie auf ihren Reisen nach Syrien zu begleiten?

Das haben wir ja bereits gemacht. Wir bekommen viele Anfragen von Leuten, die sich selbst ein Bild vor Ort machen möchten, wie zum Beispiel der Friedensaktivist Jörg Cölsmann.

Ich meinte eher auch Journalisten, die objektiv aber auch kritisch berichten.

Die Formulierung erweckt den Eindruck, man meine, dass Jörg Cölsmann, ein Nicht-Muslim der Friedensbewegung, nicht objektiv wäre. Viel eher sehen wir die Mainstream-Medien als nicht objektiv, sondern fremdgesteuert.

Wie stehen sie denn zu Gruppen wie Jabhat al-Nusra und Ahrar al Sham? Sie reden immer wieder von den befreiten Gebieten. Doch auch die mit al-Qaeda verbündeten Gruppen werden als Terrororganisationen eingestuft und attackieren auch Kampfverbände der FSA. Sie lehnen den IS ab, doch wie sieht es mit diesen Gruppen aus?

Wir sind eine humanitäre Hilfsorganisation und lehnen jede Art von Gewalt gegen Unschuldige ab, übrigens auch die von Westmächten, die andere als Terroristen einstufen, aber selbst völkerrechtswidrige Angriffskriege veranstalten, bei denen bereits Millionen von Zivilisten zum Opfer gefallen sind. So lange wir keine eigenen negativen Beobachtungen gemacht haben wie im Fall IS, gibt es uns auch nichts zu berichten. Wir sind keine Politiker sondern Helfer, unsere Berichte gehen um die Bedürftigen.

Wie geht es im Konflikt mit Tobias Huch weiter? Gibt es die Möglichkeit, dass sie beide sich in der Sache noch gütlich einigen werden?

Wir sind bereit uns mit Herrn Huch zusammenzusetzen und die Sachen auszuräumen. Wenn er sich bei uns entschuldigt, dann werden wir auch das Video, dass wir hochgeladen haben, wieder löschen. Der Ausgang dieser Auseinandersetzung bleibt aber offen.